Im Visier 2208

Zugrunde liegender Roman: Arndt Ellmer - Agentennest Hayok

Vorbemerkungen und Plot

(Vor-)Bemerkung:

Es gibt (vor allem) zwei Arten von (Rhodan)-Geschichten, mit denen ich wenig Freude habe: "Dschungel/Barbaren"-Abenteuer und "Agenten- unter-sich"-Episoden. Erstere werden von mir in fast allen Fällen aktiv gehasst, zweitere neigen sehr oft dazu, mich zu langweilen.

Keine guten Voraussetzungen also für einen Roman, der "Agentennest Hayok" betitelt ist.

Plot: Der als Hismoom verkleidete Q dreht weiterhin an kosmischen Konstanten, um das Perryversum zumindest technologisch seinem fernsehfreundlicheren ST-Universum anzupassen. Vorausschauende Raumfahrer bunkern bereits Kohlen in ihren Raumschiffen, um notfalls die Kessel weiter befeuern zu können.

Kantiran, bei dem die Gene Ascaris anscheinend durchschlagen, ist keiner dieser vorausschauenden Raumfahrer und strandet in einer arg merkwürdigen Szene mit seiner neu gekauften, alten Space-Jet auf Hayok.

Dort betreibt der arkonidische Feinschmecker und Lebemann Dario de Eshmale eine Zweigstelle des terranischen Geheimdienstes. Während die arkonidische Militärpräsenz auf Hayok auffällig erhöht wird und ihm das Leben schwerer macht, soll er den erst wenige Tage zurückliegenden Aufenthalt des ES-Boten Kereate auf Hayok rekonstruieren und womöglich eine weitere Castor'sche Silberkugel auftreiben.

Während Dario immerhin den Zugang zu einer verborgenen Oldtimer- Station findet, die Arkoniden finstere Pläne gegen die LFT schmieden und beim Glücksrad auf den Begriff "PRAETORIA" stoßen, lässt Kantiran sich von Shallowain zu einer kleinen Gefangenname überreden.

Tei 2

 

Rezension

Positives:

Nicht gerade weltbewegende Ereignisse, ein bisschen Katz- und Maus-Gespiele zwischen Liga-Dienst und Arkon, aber, seltsam und wahrlich, es war recht angenehm zu lesen, und nach vier Wochen mit vier Romanen, die zwar recht gut geschrieben waren, in dieser Hinsicht wahrscheinlich dem 2208 _über_legen waren, die aber allesamt keine Erwartungshaltung bezüglich des nachfolgenden Romanes aufbauen konnten, vermittelte dieser Roman doch das nicht unangenehme Gefühl, dass sich "etwas" anbahnt, das ein greifbarer Konflikt, eine Spannungssituation, bevorsteht, dass endlich Stoff zum "Spekulieren" geboten wird.

(Was immer im Sternenozean für "Hämmer" auch vorbereitet werden, da mangelt es einfach an Grundlagen, einer Basis, für irgendwelche Spekulationen, und das (sicher vorhandene) Gefahrenpotenzial lässt sich beim besten Willen nicht erkennen.)

Aus dem kalten Krieg Arkon/LFT droht ein heißer zu werden. Bostich plant einen Anschlag, und in Bullys Köcher lauert "Praetoria". (Inzwischen wissen wir ja, was dahinter steckt!)

Und zum ersten Mal lässt sich erkennen, dass die Hyperimpedanz nicht nur ein paar Unannehmlichkeiten zur Folge haben könnte.

Neutrales:

Kein großer PR-Roman. Aber Arndt lässt diesmal den Figuren ausreichend Spielraum zum Leben und der Agenten-Vordergrund wird nicht die Spielwiese für eine endlose und ermüdende Action-Orgie.

Rund 40 der 50 Seiten sind kompetente "Rhodan"-Lektüre.

Allerdings: Es sind noch keine drei Wochen, seit ich den Roman gelesen habe, aber es fällt mir schon schwer, mich an Details zu erinnern (von dem einen, zu dem ich gleich kommen werde, abgesehen). Da sind mir der Kneifel und der Schwartz-Roman, die ein paar Wochen weiter zurückliegen, besser in Erinnerung geblieben.

Wie groß sind Kantirans finanzielle Mittel eigentlich? Irgendwie scheut man sich da davor zurück, auch nur halbwegs klare Aussagen zu machen. Space Jets kann er sich ja leisten, aber schon ein paar Szenen weiter hat man als Leser oft das Gefühl, dass er sich seine Flucht nicht viel länger als ein paar weitere Monate wird leisten können. Weder Kant noch sein älterer Freund scheinen sich deswegen allerdings größere Gedanken zu machen.

Negatives:

Zumindest eine Szene des Romanes wird mir lange in Erinnerung bleiben. Leider nicht deswegen, weil sie so gelungen ist. Sondern weil sie einen weiteren Beleg darstellt, dass es Arndt in keinem Fall, nie und nimmer, in seinen Romanen erlaubt sein sollte, Raumschiffe in Bewegung (in Motion) zu schildern.

Die SOL-Manöver bei der Rückkehr in den Mahlstrom waren schon schwer zu schlucken, aber was uns jetzt geboten wird, übertrifft m.E. die damaligen Schilderungen bei weitem.

Es ist ja schön und gut, dass Arndt seine Romane möglichst spannend gestalten will, und den Lesern (uns) eine effekt- geladene, visuell aufregende Szenerie bieten will, aber auch wenn dabei Physik und Logik ein _wenig_ gebogen werden _müssen_, manchmal wird's zu viel. Und statt Spannung bleibt nur noch Fassungslosigkeit. Bei einem Profi, der seit gut 20 Jahren im Genre SF schreibt, erwarte ich mir halt (auch) bei manchen technisch/physikalischen Beschreibungen ein gewisses Vorspielen und "So-tun-als-ob" von tatsächlichen Kenntnissen und Wissen und Vorstellungen.

Aber was auf Seite 24/25 geboten wird, ist gar schrecklich. Da rast Kantirans Raumschiff mit 46% LG auf einen Verband Containerschiffe im Orbit Hayoks zu. Außer Kontrolle. X minus 5 Minuten. X minus drei Minuten. X minus 1 Minute.

"Das Containerschiff wuchs rasend schnell vor ihnen auf. Im Licht der gelben Straßenlaternen [???] zwischen den Aufbauten konnte Kantiran schon die einzelnen Behälter voneinander unterscheiden."

Danach X minus 10 Sekunden.

Ja, da müssen die Containerschiffe wirklich rasend schnell angewachsen sein.

Da war Kants Raumschiff also zwischen sieben und einer Million Kilometer von den Containerschiffen entfernt, besser gesagt vom Planeten. Der junge Mann hat entweder Supermans Augen, oder die Bildschirme in dem Schiff sind auf einen normalerweise sehr ungebräuchlichen und unpraktischen Vergrößerungsfaktor eingestellt. Und ein verdammtes Pech, dass da ausgerechnet ein paar Containerschiffe im Weg stehen.

Aber es wird noch viel besser! Ein netter Springer greift ein und bremst das Schiff mittels Traktorstrahlen ab und zwingt es in eine Kurve.

"Fassungslos beobachtete er [Kantiran], wie der Diskus keine 30 Meter über den Containern entlang raste, dann einen weiten Bogen weg von Hayok beschrieb [..]. Seine Geschwindigkeit lag nur noch bei 20 Prozent des Lichtes."

Sind schon tolle Manöver, die bei 46% - 20% LG 30 Meter über irgendwelchen Containern durchgeführt werden.

(Ich weis nicht, ob ich den Vorschlag nicht schon einmal gemacht habe: Vielleicht sollten wir mal zusammenlegen und einen Taschenrechner für Arndt anschaffen?

Da beobachtet Kantiran also, wie er mit 60000 Kilometer _in der Sekunde_ 30 Meter über ein paar Containern dahinflitzt.

Ganz zu schweigen davon, dass er (und sein Schiff) von einem Springer gerade in weniger als 10 Sekunden von 46% auf 20% LG abgebremst wurde. Die Rhodanschen Raumschiffe sind ja tatsächlich ziemlich flinke Kolosse beim Beschleunigen (und Bremsen), 1000 km/s2 sind da schon des öfteren erwähnt worden. Ich greife jetzt nicht selber zum Rechner, aber nur mal geschätzt behaupte ich, dass für diese 26% LG 80 Sekunden schon mal eine im Kontext eher vorstellbare Zahl gewesen wären. Wenn man dem Traktorstrahl eines Springers mit den Beschleunigungswerten eines hochwertigen Kampfjets gleichsetzen will.

An Rhodans (Bulls, Bostichs, Atlans) Stelle würde ich die Rettung von Kantiran erst mal zurückstellen und versuchen, diesen Springer und seinen Traktorstrahl einzukassieren.

Natürlich ist das, wie so oft bei Arndts "Flunkereien" nur ein kleines Detail. Aber es ist ein schmerzhaftes, lästiges, nagendes, unnötiges Detail. Auch wenn 90% (oder mehr) aller Leser darüber keine Gedanken verlieren werden, was hätte dagegen gesprochen, wirklich mal zum Rechner zu greifen, oder/und die abstürzende Jet ein "klein wenig" langsamer zu machen?

Mir hat's den Roman, den ich ansonsten durchaus akzeptabel fand, verleidet. Und Arndts Ruf einzementiert, dass er sich keine Vorstellungen über Größenordnungen, relativistische Geschwindigkeiten und Zeiten macht. Leider. Da vermeidet er es durchaus geschickt, in irgendwelche Klonelefanten-Kriege hineingezogen zu werden, hat eine durchaus noch annehmbare Rate an Symbionten und Monster der Woche, aber wehe, an Bord irgendwelcher Raumschiffe werden die Kessel angeworfen...

;-) :-(

Fazit:

Nicht mein Thema, aber an und für sich ein solider Roman, dem zwar eine in sich geschlossene Handlung fehlt, der aber endlich eine erkennbare Handlung in der MS-Ebene einleitet.

Eine längere Schiesserei als Höhepunkt. _Ich_ mag längere Schiessereien nicht besonders, manch anderer wohl umso mehr.

2 Hefte später wird dann Leo Lukas mit dem "Maulwurf" zwar einen weitaus interessanteren "Agenten" vorstellen als es der Gourmet Dario ist, aber ich hätte dennoch gerne mehr von ihm und weniger vom Tollpatsch Kantiran gelesen.

Und vom Space-Jet Landeanflug will ich jetzt nicht mehr reden. Da kommen zu viele zu böse und zornige Erinnerungen auf.

Rudolf, der seine Weihnachts/Friede/Freuden/Eierkuchenstimmung für beendet erklärt

 

Dieses Visier wurde verfasst von Rudolf Thiess