Im Visier 2219

Zugrunde liegender Roman: Frank Borsch - Rorkhete

Vorbemerkungen und Plot

[Vorbemerkung für diejenigen, die das Heft beim
Lesen dieser Frechheit nicht mehr ganz so frisch in
Erinnerung haben:

Auffällig an Heft 2219 war der falsch geschriebene
Name „Rohrkhete“ am Titelbild. Einer der sich
zuletzt häufenden Fehler am Layout und der Heftgestaltung.]

Plot:

***

Perry Rodan,
Terranischer Resident
Solare Residenz, derzeitiger Aufenthalt: Jamondi

An Robert Feldhoff und Klaus Frick
Über-Hohe Mächte
BRD, derzeitiger Aufenthalt: VPM, Bunker #7


Lieber Robert, lieber Klaus,
leider muss ich euch mitteilen, dass ich auf das
dreisteste bestohlen wurde. Als ich heute morgens
erwachte, war ich - nein, keine Küchenschabe, sondern
h- und fassungslos.

Bitte, gebt mir mein Eigentum umgehend zurück, ich
fühle mich plötzlich so nackt. Zuerst der Galornenanzug
und jetzt das... Mir reicht's!

Perry

***

Robert Feldhoff,
Expokrat,
derzeitiger Aufenthalt: Wohnzimmer und keineswegs ein Bunker

An Perry Rodan,
Terranischer Resident
derzeitiger Aufenthalt: Jamondi


Lieber Perry,
ich kann Deine Erregung durchaus verstehen. Leider sehen
wir uns außerstande Deinem sicher gerechtfertigten Anliegen
nachzukommen. Zwar haben wir eine Schuldige in dieser
leidigen Affäre ausgeforscht, und zur Strafe bereits
vor die Wahl gestellt, Hanns Kneifel in seinem Weinkeller
zu besuchen oder dem Pöbel in der PR-NG ausgeliefert zu
werden, aber inzwischen hat sich bereits eine andere
Person des Diebesguts angenommen und es für sich
beansprucht. Wir verhandeln zwar über eine Herausgabe,
aber der neue Besitzer verlangt zum Ausgleich eine
Hauptrolle in den nächsten 2000 Heften und ein Vetorecht
in den nächsten 250 Autorenkonferenzen. Unsere Anwälte
klären zurzeit ab, ob es sich um geistigen Eigentum,
Diebstahl, Urheberrechtsverletzung oder die illegale Umgehung
des Namensschutzes handelt.

Robert

***

Perry Rodan,
Terranischer Resident
derzeitiger Aufenthalt: Jamondi

An Robert Feldhoff und Klaus Frick
Über-Hohe Mächte
BRD, derzeitiger Aufenthalt: VPM


Lieber Robert, Lieber Klaus,
was zu weit geht, geht zu weit. Ich gelte doch als besonnener,
ruhiger Mann, aber selbst mein Agent ES meint, das ich hier
und heute einen Schlussstrich ziehen muss.

Nicht nur, dass ich ungehörtes Opfer eines dreisten
Diebstahls geworden bin, die Demütigung geht ja noch viel
weiter, wie ich meinem Belegexemplar von 2219 entnehmen muss.

Ich habe nie besondere Ansprüche gestellt. Vor über 40
Jahren habe ich (vermutlich unter Einfluss von zuviel Vurguzz)
einen Vertrag über 30 Hefte bei Karl-Herbert und Walter
unterschrieben. Wegen des Achtungserfolges habe ich diesen
Vertrag im Folgenden wiederholt verlängert. Und das obwohl
ihr mir schon mit Heft 50 eine angebliche Nebenfigur
untergejubelt habt, die binnen kurzem das Interesse aller
Groupies von mir auf sich gelenkt hat. Ihr wisst genau,
dass ich den weißhaarigen Kerle im Grunde nie leiden konnte,
aber stets gute Miene zum bösen Spiel machte. Das ihr mich
jetzt trotzdem monatelang mit dem schizophrenen Arkoniden in
dieses letztklassige Sternencamp geschickt habt, ist schon
schlimm genug. Dass ihr ihn vor meinen Augen herumturteln
lässt, ihm ständig die schönsten Mädels aussucht, und
mir nur verrückte Elefantenmuttis und Geistwesen zukommen
lässt, ist ja bereits ein Dauerzustand.

Aber was ihr euch in Heft 2219 geleistet habt... Ich denke
ernsthaft daran, unseren Vertrag einseitig zu kündigen.

Perry

***

Frank Borsch,
PR-Autor
derzeitiger Aufenthalt: Casting Show bei RTL

An Perry Rodan,
Terranischer Resident
derzeitiger Aufenthalt: Jamondi


Lieber Perry,
Klaus und Robert haben mir Dein Schreiben weitergeleitet.
Was ist denn so Böses geschehen in meinem Roman? Zumindest
Klaus war hellauf begeistert und spricht vom fast besten
Roman, den er je gelesen hat, einer richtigen Rakete?
(Ich muss mich kurz fassen, denn ich versuche gerade, hier
ein paar Inspirationen für meinen nächsten Roman zu bekommen.
Sag's nicht weiter, aber Atlan und Zephyda werden als Gesangsduo
verkleidet in die Höhle des Schurken vordringen...)

Frank

***

Perry Rodan,
Terranischer Resident
derzeitiger Aufenthalt: Jamondi

An Frank Borsch,
Kleine Majestät,
BRD, Derzeitiger Aufenthalt: VPM oder RTL-Studio


Lieber Frank,
ich fürchte ja, Du bist der falsche Ansprechpartner und
Klaus und Robert drücken sich vor der Verantwortung.

Hast Du Dir Deinen Roman durchgelesen? Einen Roman aus
der weltweit einzigartigen Serie _Perry Rodan_, der Erbe
des Universums! Ich bin's, Perry. Der Erbe! Der Einzige und
Wahre! Ich rette die Welt und das Universum, pünktlich
alle 100 Hefte. Nie mit Verspätung, immer mit einem
Lächeln auf den Lippen. Ich schlage mich mit Igeln,
drittklassigen Sängern, einem liebeskranken Albino und
Orkanen in Jamondi herum. Die Leute tragen meine Anstecknadeln
und meine T-Shirts. Und ich bin es, der im Endeffekt eure
Honorare bezahlt.

Und auch in Heft 2219 bin ich der zwar inoffizielle aber
doch eindeutige Kommandant des Igelschiffes, mit dem wir den
Nachbarplaneten von Ash Irthumo anfliegen. Die Motana
Mädels ignorieren mich zwar, sogar die Kleine von Baikhal
Cain, und Rohrkhete plaudert lieber mit Zephyda, die
nicht mal einen Nullzeitdeformator von einer Mikrowelle
unterscheiden könnte; aber ohne mein Okay hätte der
große Schweiger Rohrkhete seine Heimatwelt nie erreicht
und sich dort umschauen können. Wir hätten weder diese
seltsamen, hohlen Statuen entdeckt, noch den Wasserpalast
seines verschwundenen Volkes. Okay, ich gebe zu, ich hätte
mich mehr um diesen verschrobenen Motana Selboo kümmern
sollen, dann wäre sein Freund vielleicht noch am Leben,
aber der hatte halt nur einen Vertrag über ein Heft.

Ich habe stundenlang den grauenhaften Gesang der Motana
ertragen, habe Blut und Wasser geschwitzt, weil wir ohne
Fernortung durch das Sonnensystem gerast sind, und ich
war dabei, als wir die Aufzeichnung des alten Generals
gefunden haben. Mir ist eine Gänsehaut über den Rücken
gelaufen, als wir erfuhren, dass ES hinter Jamondi und
dem Sternenozean steckt, das vor Millionen Jahren ein
Krieg in und um die Milchstrasse und die Magellanschen
Wolken tobte, das ES "seine" Ritter der Tiefe, ihre Orbiter
und Hilfsvölker in dieses Zeitlupenversteck verstaute,
dass ein Verräter die Macht und seine igeloiden Schergen
die Macht übernehmen, irgendwo da draußen immer noch
eine finstere Macht namens Orbhon lauert, und vor Jahrtausenden
das große Notenbuch der Motana gestohlen wurde.

Ich bin genauso viel bzw. genauso wenig wie Atlan erschrocken,
als der Planet Ash Irthumo einfach verschwand, und als der
alte Charmeur mit seiner Zephyda in der Koje verschwand,
bin ich es gewesen, der kopfschüttelnd immer noch in
der Zentrale stand und sich die Ohren zuhielt.

Du musst das wissen, denn Du hast es ja geschrieben, lieber
Frank.

Perry

***

Frank Borsch,
PR-Autor
derzeitiger Aufenthalt: Casting Show bei RTL

An Perry Rodan,
Terranischer Resident
derzeitiger Aufenthalt: Jamondi


Alles was Du mir erzählst ist gut und richtig, lieber Perry.
Aber wo liegt das Problem? Was gefällt Dir nicht an Deinem
letztem Abenteuer? Wenn Du nur ein Mädel willst, wende
Dich bitte an Robert. Der fragt dann beim Marketing nach,
wie sich ein "vergebener" Perry Rodan auf die Verkaufszahlen
auswirkt.

Für den armen Selboo bist Du nicht verantwortlich, da musst
Du Dir keine Sorgen machen. Ich regle das schon mit Deinem
Chef, dem Ersten Terraner.

Frank


***

Perry Rodan,
Terranischer Resident
derzeitiger Aufenthalt: Jamondi

An Frank Borsch,
Kleine Majestät,
BRD, Derzeitiger Aufenthalt: VPM oder Schreibmaschine


Ich will kein Mädel. (Und nebenbei: auch kein Haustier!)
Schau Dir doch mal Seite Vier an. Fehlt da nicht etwas ganz
Wichtiges?

Perry


***

Klaus Frick,
Boss,
derzeitiger Aufenthalt: VPM Konferenzzimmer

An Perry Rodan,
Terranischer Resident
derzeitiger Aufenthalt: Jamondi


Hi Perry,
ich bin's. Franks Roman ist doch der totale Hammer. Was
soll denn auf Seite vier fehlen? Wegen des "H"s ist bereits
eine schriftliche Entschuldigung der Missetäterin unterwegs.
Unsere Anwälte machen Fortschritte. Und wir versuchen,
als Interimslösung, bei Ebay ein anderes "H" zu ersteigern.

Klaus


***

Perry Rodan,
Terranischer Resident
derzeitiger Aufenthalt: Jamondi

An Klaus Frick,
Big Boss,
BRD, Derzeitiger Aufenthalt: VPM Konferenzzimmer


Ihr habt wohl alle zulange den besten Zyklus aller Zeiten
gefeiert? Wirf doch mal einen Blick in den Kasten der
Hauptpersonen! Wer fehlt dort, wer ist nicht aufgeführt?

Atlan ist dort, seine Tussi ebenfalls. Rohrkhete auch. Hmm,
irgendwas gefällt mir bei dem Kerl nicht. Der schaut mich
zuletzt immer so an, als hätte er ein schlechtes Gewissen,
als hätte er mir meine Glückshasenpfote geklaut...

Sogar der dumme Selboo und der General, der nur kurz mal
sein Hologramm vorbeischickt, sind dort unter "starring"
verzeichnet. Aber wer wird nicht mal unter "special appearance"
aufgeführt...? Richtig, der gutmütige, liebe, naive
Perry. Mit dem kann man's ja machen.

Nein! Man kann's nicht mit ihm machen. Das drückt doch
meinen Marktwert in der ganzen Branche. Die murmeln doch
schon alle, dass ich auf dem absteigenden Ast bin und
demnächst ausgetauscht werden soll. Das irgend so ein
geschrumpfter Elefant mit Glubschaugen für meine Rolle
bereits vorgesprochen hat.

Schluss damit! Ich habe euch Delorian überlassen, und die
Gilgamesch, habe auf Camelot verzichtet, und den Posten als
Erster Hetran, habe mir die Antwort auf die dritte FRAGE
nicht angehört, und letztes Jahr bei den Gagenverhandlungen
zurückgesteckt. Habe mich mit dem Silikon-Groupie Ascari
abgegeben und mich mit Affen geprügelt. Aber in der eigenen
Serie so schmählich ausgebootet zu werden...

Und wenn ich noch hinzufügen darf: es gefällt mir auch nicht,
dauernd als blonder Dressman im Pappendeckelformat hingestellt
und aufgestellt zu werden. Warum wurde die Szene gestrichen, in
der ich mir mit Atlan Gedanken machte, was die vermutliche
Zeitdifferenz zwischen Jamondi und der MS für uns bedeuten
könnte? Als wir uns Sorgen über die armen Motana auf dem
verschwundenen Planeten Ash Irthumo machten? Das waren unsere
besten Szenen, Pulitzerpreis-verdächtig. Aber nein, das wird
gestrichen, und Salatschüsseln und Häufchen-machende Haustiere
bleiben im Redakteurs-Cut drinnen. Schon ES sagte, nimm keine Rolle
an, die mit Tieren oder Kindern zu tun hat... Und ES muss es
wissen.

Dein tief enttäuschter Perry!


***

Klaus Frick,
Boss,
derzeitiger Aufenthalt: VPM Konferenzzimmer

An Perry Rodan,
Terranischer Resident
derzeitiger Aufenthalt: Jamondi


Lieber Herr Rodan, Lieber Perry,
Deine Meinung ist uns natürlich sehr wichtig, und wir
werden uns bemühen, Dich wieder zufrieden zu stellen. Aber
leider kann man es nicht immer jeden recht machen. Schon
in wenigen Wochen wird Dein Name wieder an vorderer Stelle
in den Credits auftauchen. Und wir versprechen Dir, dass
keine weiteren Prügeleien mit Affen vorgesehen sind. Nur
eine kleine, harmlose Box-Szene mit einem Igel. Und in Heft
2299 wirst Du es sein, der erste Reihe fußfrei miterleben
darf, wie ES und Gon-Orbhon ihren PSI-Kampf um die MS
austragen.

Es stimmt auch nicht, dass wir dich durch einen süßen,
kleinen Elefanten ersetzen wollen. Aber weil die Zeit in
Jamondi so viel langsamer vergeht, brauchen wir halt jemanden,
der dich die nächsten 10000 Jahre in der MS vertritt. Das
wirst Du doch hoffentlich einsehen?

Klaus

PS.: Darf ich Dich so nebenbei auf unsere neue Atlan-Miniserie
aufmerksam machen, die demnächst erscheinen wird, und, wie
ich stolz sagen muss, ein ganz großer Wurf geworden ist. Damit
Du kein Heft verpasst, empfehle ich Dir ein Abo, das auch in
Jamondi problemlos ausgeliefert werden kann.



***

Mondra Diamond,
Staatssekretärin für besondere Angelegenheiten
derzeitiger Aufenthalt: Terrania

An Perry Rodan,
Terranischer Resident
derzeitiger Aufenthalt: Jamondi


Lieber Perry,
Kannst Du mir, bitte, sagen, unter welcher Matte der
Schlüssel für Dein Haus am Goshun-See versteckt liegt?
Habe gerade von Klaus erfahren, dass Du doch noch 10000
Jahre lang mit Barbarenmädchen aus Jamondi im Chor singen
wirst, da brauchst Du das Häuschen vorläufig ja nicht. Und
Norman hätte dort viel Auslauf und könnte sogar das Rosenbeet
düngen. Danke im Voraus,

Mondra


***

Robert Feldoff,
Expokrat
derzeitiger Aufenthalt: mein Arbeitszimmer

An Klaus Frick,
Boss,
derzeitiger Aufenthalt: VPM Chefzimmer


Lieber Klaus,
es ehrt Dich ja, dass Du Perry sein "H" zurückgeben
willst, aber das, was Du bei Ebay ersteigert hast, ist
leider Diebesgut und wurde mir von dreisten Fans entwendet
und dort zum Kauf angeboten. Ich muss dich, daher bitten,
es mir umgehend zu retournieren. Vielleicht kannst du ja
bei Wolfgang alias Arndt nachfragen, der hat ja ebenfalls
eines und verwendet es kaum.

Robert

PS. Ich habe heute ein Bewerbungsgespräch mit einem
gewissen Herrn Maddrax. Vielleicht schaust Du auf einen
Sprung vorbei. Sein Lebenslauf klingt ganz viel versprechend,
und er wäre viel billiger als Perry zu haben und würde
sogar ein paar halbnackte Mädels für die TiBis mitbringen.



Pe'y Hodan,
Terranischer Resident
derzeitiger Aufenthalt: Jamondi

An Klaus Frick,
Big Boss,
BRD, Derzeitiger Aufenthalt: VPM


Lass den Scheiss. Ich wollte mein "H" zurück, ohne Wenn und Aber,
ohne Tauschgeschäft!

Pe'y,
not amused!


Tei 2

 

Rezension

Positives:

Ich mag Sprachduktus und Sprachfluss von Frank Borsch. Daher
war der Roman sehr angenehm, flüssig und zügig zu lesen, auch
wenn er weder (unnötige) Spannungs- noch Actionelemente enthielt.

Er hat aus einem Roman, dessen Expose wohl im Grunde außer einem
Infodump- Schub wenig Inhalt (Fleisch und Seele) hatte, doch
noch "einiges" herausgeholt. Ohne das in solchen Fällen
beliebte (oder auch nicht) Monster der Woche oder den
Psychopathen der Woche zu bemühen. (Der Motana Selboo war
viel zu subtil gezeichnet, um beispielsweise für zweiteren
qualifizierbar zu sein.)

Ein (ganz klein) wenig hat eben dieser Selboo mich ja an
Nebenfiguren erinnert, wie ein WiVo sie vielleicht in die
Handlung integriert hätte. Auch wenn der vermutlich noch
eine "Ecke" oder "Kante" mehr ins Spielgebracht hätte, und
als Zugabe noch einen Hauch von Komik oder Tragikkomik.

Ein paar bisher unbekannte Infos über Jamondi und die Sternenozeane
habe ich mir erwartet, das tatsächliche Ausmaß der Enthüllungen
hat mich trotzdem überrascht. Einige der grundlegenden Rätsel
sind jetzt (meines Erachtens fast zu banal) gelöst worden.


Neutrales:

Nach drei Heftromanen und einem TiBi ist es natürlich noch
zu früh, den "Neuen" (Frank) in eine Schublade stecken zu
können bzw. ihn halbwegs treffsicher in der PR-Autorenskala
(natürlich nur eine subjektive solche) einordnen zu können.

_Mir_ gefällt, was ich lese. Ein wenig Humor könnte er (nicht
Slapstick!) noch einbringen, manchmal sogar einen kleinen Hauch
von Trash. Seine drei Heftromane sind m.E. fast ein wenig zu
ernsthaft, zu bemüht, ja nicht wie ein literarisch wertloser
Heftroman zu klingen.

Daher sind die inneren Zwiegespräche des einsamen Nomaden
Rorkhete zwar recht gut gemacht, vermitteln aber nicht das
Gefühl, einem Alien, einem Nicht-Menschen, beim "Denken und
Trauern" zuzuhören. Rorkhete ist also einsam, in sich
verschlossen, kontaktscheu, etc. Aber nirgendwo habe ich
beim Lesen das Gefühl gehabt, dass es zwischen diesem Alien
und einem beliebigen LFT-Bürger (einem Leser in der Meta-
Wirklichkeit), der in seiner frühesten Jugend irgendwo
ausgesetzt wurde, einen qualitativen Unterschied gibt.

Vielleicht zufällig (oder auch nicht) ist mir da die erste
Schilderung von Douc Langur in den Sinn gekommen. Ein Alien,
aus dessen Sicht die Erkundung der Erde und das Treffen mit
einigen Menschen geschildert wird. Damals hatte ich sehr
wohl den Eindruck, dass da doch sehr verschiedene Denkweisen
und Welten aufeinander prallten, dass der arme ebenfalls recht
gehandicapte Douc Langur gar nicht anders konnte, als viele
"Dinge" fehl zu interpretieren.

Dagegen ist und bleibt Rorkhete zu sehr ein Star Trek Alien.
Ein Mensch mit dem einen oder anderen Nasenhöcker und
unpraktischer Alltagskleidung.

An einigen Stellen des Romans hätte ruhig ein wenig mehr
an "S-o-W" aufkommen können, ein wohliges Erschaudern, ein
kurzes Innehalten; über die gewaltigen Zeiträume, die
gewonnen Erkenntnisse, die Andeutungen über einen neuen
alten Superschurken. Der kurze Rückblick in die ferne
Vergangenheit lief zu geradlinig und nüchtern ab.

(Angesichts der jahrtausendelangen Erfahrung von PR und
Atlan, all der Enthüllungen, die sie schon vernommen haben,
sind das Verhalten und die Schilderung vermutlich schon
realistisch und "richtig"; aber m.E. war das eine Szene,
die ruhig ein paar Showeffekte, ein paar "Grossaufnahmen",
eine etwas übertriebene Emotionalisierung, vertragen hätte.)


Negatives:

Schön zu lesen, angenehme Sprache, Daumen hoch für Frank
Borsch, endlich etliche, ja sogar viele Infos, Raum für
Spekulationen, also durchwegs ein guter, positiv zu bewertender
Roman?

Zumindest bei mir ist leider das Gegenteil der Fall. Abgesehen
von einigen Psychopathen in Vorgängerromanen des Zyklus habe
ich mich wohl über kein Heft des bisherigen Zyklus _mehr_
geärgert.

Was teilweise wohl am Expose (der Vorlage) lag, teilweise aber
auch am Roman selbst.

Ich mag die "Chortriebwerke" nicht. Mit denen ich wohl noch
eine längere Zeit werden leben müssen.

Der Sternenozean scheint vom Degrader wesentlich stärker als
die MS getroffen zu werden. In den letzten Heften erfuhren
wir, dass anscheinend alle Raumschiffe dort eine mehr oder
weniger geglückte Bruch/Notlandung machten. Waffen funktionierten
nicht, Schutzschirme scheint es keine mehr zu geben. Gerade
noch die Lebenserhaltungssysteme in Raumschiffen funktionieren
noch (praktisch das!).

Ohne Fernortung singen sich die Motana durch ein Sonnensystem,
große Sorgen macht sich deswegen kaum jemand. Wollen wir hoffen,
dass sie sich kleinen oder größeren Hindernissen aus dem Weg
singen können. In Ernst Vlceks Roman sangen sie sich noch
mit einer Plattform in die Lüfte. Dieses Wissen/diese Noten
scheinen sie inzwischen vergessen zu haben, denn plötzlich
sind sie auf Rorkhetes Heimatwelt auf die dortigen planetaren (?)
Gleiter angewiesen. Ohne diese wären sie gestrandet und könnten
nicht zu ihrem Raumschiff zurück. Naja...

Aber, warum zum Teufel, funktionieren _diese_ Gleiter denn
eigentlich? 6D-Technik? Der Technik der Kybbs derart überlegen?
Wie haben die Kybbs dann vor vielen Jahrhunderten den Aufstand
gewonnen?

Jede Menge technischer Aktivitäten spielen sich auf dieser Welt
ab. Antigravschächte sind in Betrieb. Gewaltige Bauten und
Artefakte zuhauf. Die Welt sollte ein ganz schöner "Strahler"
sein. Aber die Kybbs dürften sich nie für sie interessiert
haben, waren kein bisschen neugierig, haben keinen Stützpunkt
errichtet, die eine oder andere Garnison stationiert.

War sie etwa bis vor kurzer Zeit "versteckt"? Das können wir
nicht ausschließen. Aber in dem Fall muss man annehmen, dass
die ehemaligen Bewohner etwas gegen unerwünschte Besucher
hatten. Warum gibt es dann keine Fallen, keine zweite
"Verteidigungslinie" falls die "Versteckmaschine" einmal
ausfällt?

(Vielleicht wird diese Frage in ein paar Monaten tatsächlich
beantwortet, wird dann ein weiteres "Geheimnis" enthüllt. Nur
können solche Enthüllungen, die _dann_ ein insgesamt halbwegs
logisches Gebilde ergeben, den vor langer Zeit unfertig wirkenden
Roman _nicht_ rückwirkend retten!)

Viele Fragen, keine einzige Antwort. Zwei Unsterbliche, die
sich nicht mal zehn Sekunden lang da ein paar Gedanken machen.
Ja, da ist mittlerweile nichts Neues mehr, dass ist schon ein
Running Gag geworden. Aber es schmerzt.

Ash Irthumo verschwindet. PR und Atlan müssen annehmen, dass
er endgültig in der MS materialisiert ist. Sehr interessant.
Kein einziger Gedanke an die dort lebenden, zurückgelassenen
Motana, die diesen kleinen Transfer aller Voraussicht nach nicht
überlebt haben dürften.

Meines Erachtens mehr als die meisten anderen Romane wirkt
dieser gedankenlos und oberflächlich und statisch.

Der Plot verlangte einen Besuch auf Rorkhetes Heimatwelt. Und
einige Enthüllungen. Und ein weiteres Anzeichen, dass dem
Sternenozean der endgültige Transfer in die MS bald bevorsteht.

Also wurde das auch so geschildert. Aber keinen Moment lang
fühlte sich der tatsächlich vorliegende Text so an, als
würde er eine Entwicklung in einer dynamischen, über die
aktuellen Textzeilen hinaus "lebenden" Welt zeigen.

Raumschiffe/Triebwerke funktionieren oder funktionieren auch nicht.
Eine Welt taucht auf, darf erkundet werden, die vorher jahrtausende
lang übersehen wurde, oder gar nicht da war. Schwamm drüber.
Wird schon keiner (kein Leser) so pedantisch sein.

Da haben wir also einen Schlüsselroman der bisherigen Handlung
im Sternenozean vor uns. Aber es wurde nicht wirklich darauf
"hingearbeitet". Unsere Helden stolpern eben mal kurz vorbei.
Kein Spannungsbogen wurde zuvor aufgebaut, der dorthin führte.
Die Szenerie wirkte, als wäre sie direkt und einzig für ihren
kleinen Besuch aufgebaut worden.

Nein, für mich ist das nicht stimmig; ich glaube andauernd,
das Knirschen im Getriebe des Plots zu hören. Und bei 2219
war das Gefühl besonders groß.


Fazit:


Ein Roman, der als "Lesefutter" durchaus seine Qualitäten
hat, der mich bestätigt, dass ich mich bei Frank-Borsch Texten
generell wohl fühle.

Der es sich aber viel zu einfach macht, die Handlung endlich
weiterzubringen, der sich weigert - wie schon viel zu oft geschehen -
auch Platz und Absätze für langweilige Fragen und Überlegungen
und Mutmaßungen unserer Helden bereitzustellen. Der sie
einmal mehr zu hohlen Zinnsoldaten macht, die auf einem großen
Spielbrett hin- und her geschoben werden.


Rudolf

 

Dieses Visier wurde verfasst von Rudolf Thiess