Im Visier 2284

Zugrunde liegender Roman: Leo Lukas - Die Fliegenden Rochettes

Vorbemerkungen und Plot

Vorabfazit: Ein paar vergnügliche Stunden mit recht menschelnden Helden, die aber leider auch schon gar nicht in unser "reales" Perryversum passen wollen.

Wie üblich und vor allem nach der langen Pause zur Erinnerung vielleicht notwendig hier eine kurze eidesstattliche Interneterklärung:

Nein, ich habe keine internen Quellen, kenne keinen der Autoren persönlich; und alle im Folgenden auftretenden Personen, die fatal und nicht unbeabsichtigt an gewisse PR-Autoren erinnern, sind reine Kunstgeschöpfe und nicht realer als die von ihnen zu Papier gebrachten Figuren.

Kritisiert und manchmal auch verspottet werden ihre gegen wohlfeile Münzen verkauften Geschichten und Werke und Fantastereien. Keinesfalls sind Rückschlüsse auf die Schreibergilde beabsichtigt oder gar zulässig. Leo Lukas dürfte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit _nicht_ die "Verwienerung", "Strizzi-isierung" und Übernahme der PR-Serie, der deutschen Literatengemeinschaft und letztendlich der Welt planen. Und auch die Annahme, dass er sich diverse Redakteure und Expokraten durch Einflößen übermäßiger Alkoholmengen gefügig zu machen versteht, entspringt nur der kranken Fantasie eines gruppenbekannten Nörglers...


Plot:

Als Ergebnis eines augenscheinlich verloren gegangenen Trinkgelages eines braven bundesdeutschen Expokraten mit einem Wiener Schmähbruder spielt das für die heimatliche Milchstraße zuständige Kosmonukleotid verrückt (vielleicht hat auch nur ein schizophrener Kosmokrat einen Tippfehler im einem von einem leicht angetrunkenen Expokraten geschriebenen Expose missverstanden und den falschen Knopf gedrückt?) und versetzt eine romantisierte Version der Stadt Wien des beginnenden 21.Jahrhunderts auf die Erde des 50.Jahrhunderts.

Zwischen den dort sich auftürmenden Bergen von abgelegten, teilweise zerschlissenen und schnell aus der Mode gekommenen T-Shirts, den Niesanfälle erzeugenden Staubstürmen aus zerbröselten Hyperkristallen, den Schrotthaufen ausgeglühter Syntro-Chips, den seit einiger Zeit überall anzutreffenden Bonsai-Dunghaufen eines streunenden Zwergelefanten, den als Beilage aller Tageszeitungen verteilten Gesangsbibeln des Gon-Orbhon, unter dem Donner durch die Atmosphäre brausender Kybb-Titanen und dem stellaren Wetterleuchten der Hyperimpedanz, zugedeckt vom süßlichen Gestank der baumelnden Leichen an den von G-O-Gegnern errichteten behelfsmäßigen Galgen, abgelenkt vom Lernen neuer und komplizierter Höflichkeitspronomen und den überall affichierten Hochglanzfotos des aktuellen Playmates, bis vor kurzem noch die persönliche Sekretärin des in Ungnade gefallenen Homer G. Adams, fällt das Auftauchen des kleinen Städtchens am Rand der Alpen nicht weiter auf. Weder der Anstieg des globalen Kaffeeverbrauchs, die weltweite Schwemme an Sachertorten noch die tunkenlose Variation des Wiener Schnitzels lassen die terranischen Behörden stutzig werden. TLD-Agenten auf routinemäßigen Kontrollbesuchen verschwinden spurlos in den Beisln der Stadt, den Heurigen im Bezirk Grinzing oder im Labyrinth der Kanalisation unter der Innenstadt, oder verhungern trotz Würstelständen und Maronibratern an allen Straßenkreuzungen im (positronisch gesteuertem) Stau der Wiener Stadtautobahn. Also nichts, was nicht auch auf das Treiben handelsüblicher Gon-Orbhon-Sektierer zurückzuführen sein könnte.

Nachdem die Terraner, der Born galaktischer Intelligenz, der Inbegriff der Tugendhaftigkeit und des Gerechtigkeitssinns, sich bereits in der altitalienischen Stadt Neapel an der Rekonstruktion der Camorra übten, natürlich unter der väterlichen Aufsicht des TLDs, wird der Wiener Mexikoplatz zum Zentrum des solaren Schwarzhandels und der Geldwäscherei. Womit die Bühne frei wäre für den Auftritt unserer Helden...

Was könnte besser in diese Stadt passen als ein echter konzessionierter Wanderzirkus aus dem Bilderbuch. Komplett mit trinksüchtigem Messerwerfer, liebeshungriger Trapezkünstlerin, Geldsorgen, Streichelzoo, Zelt und Wohnwagen. (Für die anstehende Verfilmung unter der Regie des Kottan-Machers Peter Patzak wird für die Rolle des liebenswerten aber ein wenig hilflos wirkenden Zirkusdirektor bereits mit dem CGI-Avatar des großen Hans Mosers verhandelt.)

Die Posse in vielen kleinen Akten über ein Melodram zu ebener Erd'; und im Riesenrad gewinnt an Schwung als die armen aber hilfsbereiten Zirkusleute einem kleinen Elefantenjungen samt menschlichem Tross Asyl, Unterkunft und Verpflegung gewähren. Unter dem Schutz und der Aufsicht des Großen Normans planen nämlich der ehemalige Minister und 3000-jährige Tattergreis Homer G. Adams und die kaum erfolgsgewohnte Kurzzeit-Mätresse des Herumtreibers Perry Rhodan, Mondra Diamond, einen Anschlag auf den aktuellen und gewohnheitsrechtmäßigen Invasor Gon-Orbhon im gar nicht so fernen Neapel.

Denn auch für einen fast waschechten und kratzfesten Gott soll gelten: Neapel sehen und sterben.

Den Bau der gotteslästerlichen High-Tech Guillotine soll der nette Herr di Rochette übernehmen, der praktischerweise praktizierender Hobby-Geologe und Experte im Vulkan-Ausbrechen-Lassen ist.

Geplagt von der geliebten aber resoluten Göttergattin, verfolgt von der ein wenig naiven Verkörperung nicht ganz trockener Männerträume , Babette Bündchen, drangsaliert vom "Der-Zweck-heiligt-die-Bomben"-Unsterblichen Adams, eingeschüchtert von den einen Klonelefanten suchenden Häschern Herode... äh... Gon-Orbhons, findet der gute Mann (und seine weitaus zwielichtigeren Begleiter aus dem Rhodan-Clan) dennoch Zeit für den Besuch diverser Sehenswürdigkeiten. Weder die filmreifen Wucherer am Mexiko-Platz, noch die ein wenig altmodischen Attraktionen im Wurstelprater noch der nahe gelegene Semmering werden ausgelassen. Einzig für den Rhodan-Stammtisch im Bezirk Neubau bleibt keine Zeit, was dessen Betreiber zu denken geben sollte...

Das unter göttlicher Invasorenfuchtel stehende Mondgehirn NATHAN, seit einiger Zeit wieder auf wenige MHz zurückgetaktet, kann Adams zwar eine perfekte Tarnexistenz verschaffen, auch ein paar Geldkonten sind schnell aufgetrieben, die zum Bau der Vulkanbomben notwendigen Computer-Chips der 286-Serie müssen aber auf dem wenig vertrauensseligen Schwarzmarkt besorgt werden.

(Einem kleinen Mädchen seine positronisch-gesteuerte Barbie-Puppe mit echtem Haarwuchs und Stoffwechselfunktion wegzunehmen ist für die im Selbstlosen- Heldentaten-Verüben Gewerbetreibenden natürlich undenkbar.)

Nachdem Mondra ihren neuen Cat-Suit ausgiebig vorgeführt hat und ohne der Erlaubnis des Wiener Bürgermeisters im Gestänge des Riesenrads zum Gaudium des Publikums herumgeklettert ist, packen unsere Artisten ihre Siebensachen (zählt man Mondras Sport-BH mit, sogar ihre Achtsachen) und machen sich auf die Socken in den sonnigen Süden.

Die Kapitelaufteilung im Heft lässt gerade noch genug Absätze frei, um den Weltmeistertitel der österreichischen Lokalkicker aus Graz zu feiern, da taucht unheilvoll am Rand des Schreibhorizonts schon der düstere Kybb-Titan als Gigantischer Schattenspender über dem Vesuv auf.

Selbst unsere Protagonisten spüren, dass das nicht mehr die richtige Zeit für übermäßiges Kalauern ist. "Rochettes, übernehmen sie!" heißt es nun endgültig, auch wenn Adams sich nach Übermitteln des unmöglichen Auftrags nicht innerhalb von 20 Sekunden in Rauch auflöst. (Diesen Part hat netterweise ein anderer Unsterblicher übernommen, dessen Namen hier nicht gespoilert werden soll.)

Unter dem wachsamen Auge des Verkünders Imberlock, seines Zeichens Pressesprecher Gon-Orbhons, werden in einer Tour de Force die freiwilligen und unfreiwilligen Jünger des Gottes mit allerlei Zirkuskunststückchen unterhalten, Surfbretter geklaut, den Mitgliedern der lokalen Camorra-Organisation mancher Schabernack gespielt, ein- und ausgebrochen, und die zusammengebastelten Vulkanbomben sub-terran auf den langen Weg zu ihrem Ziel geschickt.

In regelmäßigen Abständen darf Norman als elefantöser G-O-Übernommenen-Aufspürer agieren und eine neue Facette seiner unerschöpflichen PSI-Fähigkeiten offenbaren und weitaus bekannteren Multimutanten wie Plofre oder Corello zeigen, wo der wahre Großkopf-Esper den Most herholt.

In einem herzergreifenden Finale, als die vielfach geschmähte Blonde-im-Geiste, Babette Bündchen, sich den Einflüsterungen des bekämpften Gottes hingibt, ist es wieder Norman, der eine harte aber notwendige Tat setzt und schweren Herzens und noch schwereren Fußes die plötzliche Gefahr unter Einsatz des eigenen Lebens im wahrsten Sinne des Wortes beseitigt.

Nachdem die tragische Doch-Nicht-Heldin als Nicht-Mehr-Ganz-Jungfrau dem Vulkan geopfert wurde (nun, eine Rückkehr a la Darth Vader mag nicht ganz ausgeschlossen sein), steht dem besinnlichen Ende des Melodrams nichts mehr entgegen. Die Recken nehmen Abschied. Das fahrende Volk zieht weiter, um allen Katastrophen zum Trotz in noch mehr anachronistischen Städten ihr Publikum zu unterhalten. Adams aber zieht es nach Rom. Sei es, um endlich als erster Amerikaner zum Papst gewählt zu werden, oder um pünktlich zum nächsten Kulminationspunkt des Geschehens auf das Auslöserknöpfchen seiner platzierten Bomben zu drücken.

Tei 2

Hinter den Kulissen:

In einem kleinen uns allen wohlbekannten Verlagsgebäude vor nicht allzu langer Zeit:

"Sie werden uns lynchen..."
"Schlimmer noch, jetzt werden auch die Berliner ‚ihren'; Roman einfordern..."
"Und die Münchner..."
"Die Hamburger..."
"Die Bielefelder..."
"Das geht auf keine Kuhhaut!"
"Und schon gar nicht in einen einzigen kleinen Zyklus..."
"Weiß einer von euch eigentlich, wie viele Städte und Dörfer es hierzulande gibt? Nur falls es zum Schlimmsten kommt. Und der Verfassungsgerichtshof gleiches Recht für alle einfordert, für jeden einzelnen unserer Leser..."
"Nun, dann wissen wir wenigstens, wie und mit welchen Schauplätzen wir die nächsten 10000 Hefte füllen werden. Das erspart Rainer eine Menge Arbeit beim Sternenkarten-Zeichnen. Wir legen einfach dem nächsten Jubiläumsheft einen ADAC-Autoatlas bei..."
"Und statt Risszeichnungen gibt';s fortan Stadtpläne..."
"Ja, ein Wiener Stadtplan wäre praktisch gewesen, oder hat einer von euch verstanden, wo genau dieser Mexiko-Platz eigentlich ist..."
"Vielleicht sollten wir Uschi schon mal bitten, ausnahmsweise noch den großen Perry-Roman über München zu schreiben..."
"In dem die Invasoren des nächsten Zyklus planen, das Reinheitsgebot abzuschaffen und Hopfen durch gatasische Brechwurzeln zu ersetzen?"
"Was ist denn mit dir los, Uwe? Du schüttelst die ganze Zeit nur fassungslos den Kopf? So schrecklich ist der Roman doch auch nicht..."
"Schrecklich? Noch viel schlimmer. Ich habe seit Tagen Alpträume. Er hat es getan, er hat es wirklich getan..."
"Ja, was hat Leo denn getan?"
"Das hat doch nichts mit Science-Fiction zu tun. Das ist völlig absurd und an den Haaren herbeigezogen. Eher wird Norman Großadministrator..., oder die Nörgler aus der NG loben mal einen Roman."
"Gaaanz ruhig. Tief durchatmen. Es wird schon wieder. Was ist denn so an den Haaren herbeigezogen?"
"Graz! Er, Leo, hat Graz zum Fußballweltmeister gemacht! Ja kennt er denn nicht den Unterschied zwischen Science-Fiction und Fantasy?"

**

Verlassen wir die Krisensitzung und beschäftigen uns mit der Frage, wie es überhaupt so weit kommen konnte?

Wie wurde Graz Fußballweltmeister? Und das alte Wien Bestandteil des Perryversums?


Leo Lukas ist wohl der beliebteste österreichische Autor in der PR-Geschichte, dessen Geschichten vom deutschen Publikum mangels inflationärer Austriazismen überhaupt nicht verstanden werden. Die einen sehen ihn als mutwilligen Saboteur der bundesdeutschen Variante der deutschen Sprache, die anderen als vom Langenscheidt Verlag eingeschleuster Mitarbeiter zur Ankurbelung deutsch-österreichischer Wörterbücher.

Zentrale philosophisch-perryverselle Frage ist, ob es sich bei ihm um einen Rhodan-Schreiber handelt, in dessen Rhodan-Romanen sich satirisch-kabarettistische Töne einschmuggeln, oder um einen Humoristen, in dessen Sketche sich Fragmente von Rhodan-Exposes wieder finden.

Eines der Erfolgsrezepte der Serie ist zweifellos die Disziplin der einzelnen Autoren und die harte aber gerechte Führung durch die Untiefen handlungstechnischer Kalmenzonen durch Expokrat und Redaktion. Die Strenge und Unerbittlichkeit von Robert Feldhoff und Klaus Frick sind, ähnlich wie bei ihren Vorgängern, weithin bekannt; schon mancher kleine Autor soll unliebsame Bekanntschaft mit so manchem Folterinstrument aus ihrem Arsenal des Schreckens gemacht haben...

"Herr Donnerbeutel, kommst du mal kurz in mein Büro. Und mach'; hinter dir, bitte, die Tür zu..."

"Ach, Uwe, sprechen wir doch in Ruhe bei einer Tasse Kakao über diesen neuen Superhelden in deinem letzten Roman und den Namenlosen Gegner..."

"Arndt, bitte schau mal mit Lichtgeschwindigkeit vorbei. Wir haben zusammengelegt und möchten dir in einer kleinen Zeremonie ein tolles, neues Physikbuch schenken..."

Was in weiterer Folge aber nicht heißen soll, dass K.H. Scheers krankheitsbedingter Ausfall zu Beginn des Schwarmzyklus auf ein freundschaftliches und aufmunterndes Schulterklopfen des legendären Schelwokats zurückzuführen war.


Langer Rede kurzer Sinn: Die Chefitäten (Chef-Entitäten) des Verlages haben in vielen Jahren gelernt, sich gegenüber aufsässigen und hyperaktiven, nicht zu bremsenden Autoren durchzusetzen...

"Nein, Walter, nie und nimmer werde ich dulden, dass in unseren spannenden Weltraumabenteuern um die tapferen Soldaten von der Erde übergroße Plüschmäuse mit Biberschwänzen ihr Unwesen treiben werden. _Das_ überlassen wir lieber Walt Disney. Diese Bibermaus ist das erste und letzte Mal aufgetaucht."

"_Das_ geht auf gar keinen Fall, mein lieber Willi. Ein Säufer inmitten einer Elitetruppe an Bord der CREST. Den Indianer kann ich ja noch akzeptieren, auch wenn er ein bisschen arg viel denkt anstatt sich eine größere und stärkere Waffe zu besorgen. Aber dieser Brazos... den radierst du sofort wieder aus!"

"Seine einzige Waffe ist seine Turbo-Gebetsmühle..., ich bitte dich, das ist doch lächerlich! Tut mir leid, aber diesen seltsamen Halbcyno werde ich augenblicklich voltzen..."

"Tba hin und Tba her, du kannst doch nicht deine eigene Serie innerhalb der Serie schreiben. Wo kämen wir denn da hin?"


Diese Beispiele verdeutlichen gut, wie unmöglich es geworden ist, rhodan-fremde Handlungselemente und –Stränge in ein Manuskript zu schmuggeln, gegen den Willen des Exposes seltsame Eigenkreationen an Figuren und Schauplätzen in die Handlung einzubringen. Chefautor Feldhoff kümmert sich in fast völliger Selbstaufgabe um jedes noch so kleine Detail der Handlung. Schließlich soll die Serie wie aus einem Guss wirken, ein homogenes Ganzes sein, frei von Widersprüchen und Ungereimtheiten. Was für Künstler, die vielerorts immer noch als Reimeschmiede gelten, ohnehin ein Unding sein sollte.

Welches der beiden Szenarien erscheint also glaubwürdiger?

- "Wir haben ein Problem, Klaus."
- "Sprich!"
- " Weist du noch, als damals Karl-Herbert krank wurde und die Exposes für den Schwarm-Zyklus fehlten..."
- "Ich muss zugeben, damals eher mit den abmontierten Stützrädern meines Fahrrads Probleme gehabt zu haben."
- "Nun, es ist wieder soweit."
- "Karl-Herbert ist krank...? Oh... Robert? Es wird doch nichts Ernstes sein? Ist er im Krankenhaus? Kann ich ihn besuchen? Kann er die Finger bewegen? Hat er seinen Laptop mit? Dann sind wir gerettet..."
- "Äh... es geht ihm gar nicht gut. Er hört sich an, als würde er im Sterben liegen. Es ist mir unerklärlich. Gesund wie der Hyperraum vor der Impedanz ist er zu seinem Kurzbesuch nach Wien aufgebrochen, und mehr tot als lebendig ist er zurückgekommen.
- Dabei wollte er nur mal kurz mit unseren österreichischen Kollegen plaudern, mit Leo eine dieser Wiener Weinstuben besuchen...
- Und jetzt kann er sich kaum auf den Beinen halten, hat Erinnerungslücken, angeblich einen Kater bei sich aufgenommen, und zudem das Expose verloren, das er Leo geben wollte. Es soll eine Art High-Tech-Thriller an exotischen Schauplätzen im Sonnensystem gewesen sein mit irgendwelchen TLD-Superagenten..."
- "Halb so schlimm, ich habe gerade das fertige Manuskript von Leo bekommen. Diese Ösis sind wirklich fixe Leute, das muss man ihnen lassen. Ein echter Hammer von einem Doppelroman, ein ganz großer Wurf. Da geht ganz schon was zu Bruch, in den Romanen, da werden heilige Kühe angetastet...Oder zumindest rosa Elefanten Ich muss gleich einen Eintrag ins Logbuch machen.... ‚ein Leo-Lukas-Erlebnis der besonderen Art also. Er fügt dem PERRY RHODAN-Universum einige neue Facetten hinzu...';"


Oder:

- "Hallo Leo, ich bin';s, dein Expokrat. Ich wollte nur schnell noch ein paar Bemerkungen zu deinem Manuskript über den Agenteneinsatz der TLD-Truppe ROCHETTE machen. Ich gebe ja zu, dass mein Expose keine Angaben über Schauplätze und Lokalkolorit macht, aber wäre es nicht nett... nein, toll, wenn du die Romane in Wien spielen lässt? Homer Adams am Mexiko-Platz, das wäre doch was, oder? Und eine Action-Sequenz im Würstelprater..., wie... Wurstel?.... keine Würstel im Prater? Unsere Agenten könnten sich an der Copa-Cagrana verstecken, vielleicht am Gänsehäufl baden gehen, statt übernommenen TLD-Agenten machen ihnen ein paar original reinkarnierte Kieberer zu schaffen. Ein paar Strizzies aus der Unterwelt tauchen auf, vielleicht ein paar von ihnen adoptierte Springer oder Ertruser, für ein paar ordentliche Keilereien gibt. Ein kleiner Ausflug zum Semmering wäre auch nicht schlecht. Wie? Der Semmering-Tunnel, nein, der ist auch 1333 NGZ noch nicht fertig, vergiss nicht, die Handlung würde dann ja in Österreich spielen, da braucht so ein Großprojekt schon ein wenig mehr Zeit... Und zum Drüberstreuen, ich habe gehört, wir haben ein Leserdefizit in Graz und müssen die dortigen Fans ein wenig aufmuntern, könntest du deine Helden in dem kleinen Städtele Zwischenstation machen lassen, vielleicht um sich ein Fußballspiel anzuschauen, etwa die Weltmeistermannschaft Graz gegen den Regionalzweitligisten Bayern München..."

Hand auf';s Herz! Welche Version ist die glaubwürdigere?


(Was aber, natürlich, klarerweise, ganz und gar nicht, überhaupt nicht,
nie und nimmer, auch für einen ganz lieben Nörgler von sorglosem Naturell gilt.)

Die nüchternen Tatsachen, nicht unbedingt wie Garp, sondern eher wie ein Nörgler sie sieht:

 

Rezension

Positives:

Endlich, nach langer Pause, wieder zwei Romane von Leo Lukas. Der, wie aufmerksamen Beobachtern nicht unverborgen geblieben sein sollte, in meiner Wertschätzung soweit sie sprachlichen Ausdruck, Stil, Humor und Lesevergnügen betrifft, die Autorenriege unangefochten anführt.

Negatives:

Wie bringe ich es ihm, dem Leo Lukas, bloß bei?

Aufgabenstellung verfehlt, am Thema vorbei geschrieben, mit den falschen, weil unpassenden sprachlichen Mitteln hantiert. Und damit weit davon entfernt, das Rhodansche Glanzlicht des Quartals verfasst zu haben.

Neutrales:

Vermutlich sind das die beiden am "besten" geschriebenen und unterhaltsamsten Romane der PR-Historie, die ich als "misslungen" und Fehlschlag niedermachen muss.

Wieder einmal, und diesmal völlig enthemmt, hat der Kabarettist und Spaßvogel Lukas gesiegt über den Romancier, der eine solide Auftragsarbeit im Rahmen der Romanserie Perry Rhodan schreiben sollte.

Als Parodie und durchaus liebevolle Persiflage/Verarschung der Serie, als nicht zu ernst gemeinte Neckerei derjenigen Leser, die die Serie manchmal zu ernst nehmen (der kritisierende Nörgler nicht ausgenommen), sind die beiden Romane über weite Passagen hin recht gut gelungen. Und übertreffen den unsäglichen Schnapszahlroman 2222 recht mühelos um Längen.

Alleine, wie ich sicher schon einmal in gewohnt kurz gefasster Form zu Protokoll gegeben habe: Das Genre, in dem die Serie beheimatet ist, mag vielleicht nicht kurz und bündig mit Hard-SF umschrieben werden können, da ist Platz für so manche das Genre überschreitende Ausflüge, auch für eine gehörige Portion Humor. Als Plattform für die kabarettistische Kleinbühne ist sie m.E. aber nie angedacht und vorgesehen worden.

Leider, in diesem Fall tatsächlich 'leider', missbraucht mein ohne Einschränkung sehr geschätzter Lands- und Stadtmann die Serie, ihren Hintergrund, ihr Setting, ihre Leser und deren Erwartungshaltung, um zu offensichtlich das zu tun, was er sehr gut kann: Sich über Gott und die Welt und vor allem die ihm und seinen Lesern gut bekannte heimische Welt lustig zu machen. (Ein mir absolut fremder und nicht nachvollziehbarer Drang...)

Positives:

Es ist schön, es ist aufregend und abwechslungsfrei, es ist das Salz in der Suppe, wenn Autoren, die an einer gemeinsamen Geschichte schreiben, untereinander gut unterscheidbar sind. Wer will schon den normgeglätteten Einheitsbrei?

Und wie stets braucht es nicht viele Absätze, um einen Lukas-Roman schnell als solchen zu erkennen. Seine Beharrlichkeit, oder auch Schlampigkeit, die lokal-österreichische Wortmalerei hochzuhalten, und dem zum Großteil nördlichem Publikum das eine oder andere Befremden unterzujubeln, erfreut mich, vielleicht sogar mit ein wenig Schadenfreude.

Es klingt für mich halt sowohl sehr vertraut als gleichzeitig im Rahmen des eher heusenstämmisch dominierten Sprachduktus der Serie auch seltsam,
wenn da "Geld behoben" wird oder jemand etwas verspricht, "wenn es sich denn ausgeht". Die Irritation eines Kritikaster kann ich dann durchaus verstehen, aber solange sich diese fremdländischen Sprachverwirrungen nicht in die Dialoge einer allseits bekannten Figur einschleichen, die so eben nicht sprechen würde (etwa ein Tolot oder Bostich oder Danton), kann ich damit recht gut und zufrieden leben.

Auch den bayrischen, ostfriesischen oder sächsischen Autoren seien die Einsprengsel lokaler Idiome gerne erlaubt. ?

Nein, es sind nicht die lukasschen Wortbilder, die dazu führen, dass ein PR-Roman sich nicht mehr wie ein solcher liest.

Negatives:

Ich kann mir gut vorstellen, dass es ein oft geäußerter Leserwunsch ist, mehr über das eigene bekannte Umfeld im 5.Jahrtausend zu erfahren. So exotisch und abenteuerlich die Abenteuer der SOL bei den Frehm-deen in der Galaxis Ganzweitweg auch sind, wer würde nicht gerne auch mal davon lesen, wie es "gleichzeitig" (jaja, die Gleichzeitigkeit im Universum, aber das ist ein anderes Thema) zu Hause ausschaut, in München, Berlin oder Wien. Oder Kleinnest am Hinterfluss in der Provinz.

Die fiktive Stadt Terrania ins 5.Jahrtausend zu verpflanzen dürfte aber weit einfacher und leicht zu beschreiben sein, als das mit einer realen Stadt zu tun.

LL hat das jetzt mit Wien getan, sei es aus eigenem Anreiz oder im Auftrag bzw. durch den Ansporn eines Expokraten oder Redakteurs.

Ein erfolgreicher Kabarettist ist sicher ein profunder Kenner seiner Umwelt, der Schwächen und Stärken seiner Mitmenschen und des Umfeldes. Ob er aber auch wirklich geeignet ist, dieses bekannte Umfeld in eine zumindest auf den ersten Blick plausible und glaubwürdige Zukunft zu projizieren?

Nach der Erfahrung dieser beiden Romane bin ich geneigt zu sagen: Nein.

Der gelernte und geübte Spaßmacher tut nämlich anscheinend das, was er gut kann: _seine_ Zeitgenossen auf die Schippe nehmen, seine Umfeld durch den Kakao ziehen, deren Schwächen bloßlegen, deren Macken, deren schlechte und auch guten Seiten. Der Versuch all das mit Figuren zu tun, die ein halbwegs "eingelesener" Leser mit der fiktiven Welt der Serie verbindet, findet leider erst gar nicht statt. Die Karikatur ist nicht in der
Serie angesiedelt, sondern unverhohlen und ausschließlich in der Gegenwart. Die Klischees, die abgespult werden, reichen eher in die Vergangenheit als in die Zukunft. Da ist mehr K.u.K. Beamtentum dabei als vorstellbare LFT-Bürokratie. Vermutlich verdanken wir nur dem Jugendschutz und einer vorbeugenden Ausrichtung auf jugendliche Leser, dass das angebliche LFT-Wien nicht von Schnitzlerschen Figuren bevölkert wurde, oder Anlehnen bei den eher derberen Teilen der Geschichten aus dem Wienerwald genommen wurden.

Leo Lukas gehört ohnehin nicht zu denen, bei denen ich mir in seinen Science-Fiction Geschichten einen großen "Science" Anteil erwarte, aber auch wenn ein Autor andere, eigene Schwerpunkte setzt, sollten Zukunftsgeschichten selbst bei Perry Rhodan spürbar und sichtbar in einer, nein, in _der_ PR-Zukunft spielen.

Und diese Vorlage kann LL durchaus erfüllen, wie er mittlerweile oft genug bewiesen hat. Nicht aber in 2284 und 2285....

TRÖÖÖÖÖT........

Moment mal, ich bekomme gerade ein Trötogramm über die tempausale abakusgesteuerte Äthernet-Verbindung rein...

Mondra Diamond,
Staatssekretärin adF. (auf der Flucht)
Im Auftrag von: Norman
(freibeurflicher Paladin der Menschheit)

An den Nörgler von der lästigen Statur
(Ja, _Du_ bist gemeint...)

Tröööt, trööt, trööhöt....

Lässt Norman dir ausrichten. Und weil mir schon klar ist, dass ein
Berufsmiesmacher und Meckerer wie du niemals tiefgeistiges elefantösisch
gelernt haben wirst, lass mich kurz übersetzen:

Ich (Norman) habe mich mit den dauernden überzogenen und
ungerechtfertigten Angriffen deinesgleichen ja schon abgefunden. Es bricht
einem sensiblen Elefanten wie mir zwar stets fast das Herz, aber im
Gegensatz zu einigen fundamentalistischen Elefantenhassern trete ich
immer für freie Meinungsäußerung und das Pflegen der eigenen Vorurteile
an. Nicht jeder kann als größtes Laster eine gewisse, unbedeutende
Kekssucht aufweisen.

Visier um Visier wiederholen sich die hässlichen Angriffe auf meine Person.
Trotzdem hat mein Frauchen Mondra einen sinnvollen Verwendungszweck
für die gedruckten Ausgaben beim Putzen meines Körbchens gefunden.

Aber was ist diesmal geschehen? Seite um Seite wird auf meinen Wiener
Lieblingsautoren eingeprügelt; werden ihm die schwersten Sünden
überhaupt vorgeworfen, und kein – ich wiederhole – kein einziges Wort
über meine Auftritte fällt!

Ja, was soll denn das? Bin ich keinen eigenen Schmähungsabsatz mehr
wert? Werde ich einfach ignoriert? Ist ja nur ein Zwergelefant, den kann
man schon mal übersehen?

Ich finde das gar nicht witzig. So geht man doch nicht mit einem alten Dorn
im Allerwertesten um. Ich habe ein Gewohnheitsrecht, bösartig
verunglimpft zu werden.

Weißt du eigentlich, wie teuer so ein tempausales Trötogramm in Zeiten
der Hyperimpedanz ist? Umgerechnet in Keksen... ach, ich mag gar nicht
daran denken.

Immer diese Störungen. Und Mondra wird doch nicht wirklich annehmen, dass ich ihr abnehme, dass dieses waidwunde Geschreibsel von Norman stammt? Nicht mit mir. Auch als SF-Leser stehe ich mit beiden Beinen fest auf der Erde...

Also weiter mit der Demontage zweier Romane.

Positives:

Die Figuren werden liebevoll und mit deutlichen Anzeichen von Eigenleben durch die Handlung geführt. Erst am Ende des Doppelromans, beim seltsamen Finale/Showdown, misslingt LL Szenenaufbau und die Interaktion zwischen den Handelnden. (Babettes Fall, sowohl im wörtlichen als auch übertragenen Sinn, wirkt aufgesetzt und unnötig.)

Mit fast spürbarem Spaß an der Freude läuft die Tragikomödie ab, kalauern sich die Helden und Antihelden durch eine Posse in mehreren Akten. Ein bisschen Lukas, ein klein wenig Kishon, ausreichend Feldhoff, die Zutaten sind vorhanden und viel versprechend.

Neutrales:

Langweilig war mir beim Lesen nie. Immer wieder wurde das Interesse geweckt und hochgefahren...

Negatives:

Aber nirgendwo wird das Interesse und das damit eingehende Versprechen auch tatsächlich eingelöst. Nirgendwo schafft die Geschichte es, mit dem realen, allgegenwärtigen Perryversum zu verschmelzen.

Es ist keine im Kontext reale Geschichte, die im Perryversum spielt. Es ist ein Roman über ein Stück, eine Aufführung, ein Theater, das von den Doppelgängern echter Personen des Perryversums vorgetragen wird. Nicht gerade Thomas Bernhardt oder Oscar Wilde, eher die gute, alte Löwingerbühne (bzw. Peter Steiner für die Nicht-Österreicher) mit einem nur vorgeblich zeitgenössischen derben Schwank des 5. Jahrtausends.

Beispiele gefällig?

Im Mittelpunkt aller Verwicklungen steht ein fahrender Zirkus, eine Handvoll
Artisten, ein Zirkusdirektor in finanziellen und amourösen Nöten. Nun, schon möglich, dass in 3 Jahrtausenden noch immer (oder schon wieder) ein Interesse an allerlei Kunststücke vortragenden Volk besteht. Die Terra- Nostalgiker sind, als durchaus brauchbare Erklärung für manche die Handlung bestimmende Anachronismen seit einiger Zeit Teil des Settings.

So sei es. Selbst Zelt und Wohnwagen mögen Teil der Nostalgie-Show sein, auch wenn es schon fraglich ist, dass all die Artisten ihr gesamtes Leben außerhalb der Arena als erweiterte Show ausrichten. Wie ist die Truppe zusammengekommen? Sind es Artisten seit Generationen?
Aussteiger, die im Gauklermilieu ihre Erfüllung sehen?

Aber wie passen dann die prekären finanziellen Probleme ins Bild? Der
Direktor, der seinen Leuten nicht zu sagen wagt, dass sie kurz vor dem Bankrott stehen? Treten sie um des Geldes wegen auf, um ihren Lebensunterhalt zu fristen?

Ist das eine der Folgen der HI, oder war das auch schon vorher so? Wie rau ist das soziale Klima der LFT und auf Terra?

Die Utopie ist seit einigen Zyklen (seit Feldhoffs expokratischer Alleinherrschaft?) völlig aus der Serie verschwunden. Die Gegenwart des Metaversums spiegelt sich zunehmend und verschärft in der Handlung wieder. Auch wenn da seltsame Brüche zum Rest des Perryversums entstehen. Alleine die trotz HI utopische Technik macht manche sozialen Spiegelungen gegenwärtiger Probleme hinfällig und albern. Nahezu unbegrenzbar zur Verfügung stehende Energie _vor_ der HI sollte Heiz-, Kühl-, Transportkosten (zumindest planetar und systemweit), Recycling- und Produktionskosten niedrig bis minimal halten. Statusobjekte, echter Vurguzz von Lepso und Sightseeing-Trips nach Hayok mögen teuer sein, für die Geschmacksnerven nicht erkennbare synthetisierte Wiener Schnitzel und selbst in Orbitalfarmen angebauter echter Kaffee keine halben Milchstrassen kosten. Zirkuszelte, Wohnwagen und allem Anschein nach sehr genügsame Artisten sollten dann doch problemlos von den Liebhaber- Eintrittspreisen ihrer Vorstellungen leben können? (Wie gesagt, die HI mag da kurz- und mittelfristig ihre Auswirkungen haben, aber als LFT-Bürger hätte ich so meine Probleme mit Politikern und Ministern, die nicht erklären können, warum nicht ein paar von den eher nutzlosen LFT-Posbi-Boxen ausgeschlachtet werden, die im Sonnensystem herumgammeln.)

Wenn Matti di Rochette in Panik seine Buchhaltung durchgeht, wenn ein Homer Adams durch anscheinend buchhalterisches Extrawissen den Ausweg aus der finanziellen Krise findet, dann passt das nicht zum Bild der Terra-Nostalgiker, die aus Spaß oder Dekadenz oder Langeweile oder aus Unverständnis ihrer eigenen Realität gegenüber eine Vergangenheit nachspielen, die so vermutlich gar nie existiert hat.

Gerade bei LL hätte ich mir erwartet, dass er diese Nostalgie-Welle etwas näher und kritischer oder spöttelnder betrachtet und sie nicht einfach als gegeben übernimmt.

Oder sprechen wir vom Streichelzoo des Zirkus. Die nicht mehr ganz jungen unter uns werden sich an die rar gewordenen Wanderzirkusse erinnern. Es spricht nicht für unsere Protagonisten, wenn sie hilflosen Tieren ihres eigenen Spleens wegen diese Quälerei zumuten. Und dass die Terraner, bis vor kurzem noch recht agil und reiselustig, viel Interesse an gefangenen Tieren haben. Wenn es mit wenig Mühe möglichst ist, sie in ihrem natürlichen Habitat zu besuchen. (Die HI mag da die Reiselust und Reisefähigkeit eingedämmt haben, aber so kurz nach Eintreten derselben sollten man noch nicht so "ausgehungert" sein, um einen "Arme-Leute-Zoo zum profitabelsten Bereich eines Zirkus'; zu machen.)

Was vom Leben auf Terra erfahren wir noch? Die Polizisten in Wien werden
Kiberer genannt und sind unterbezahlt. Deswegen sind sie alle bestechlich und gehen illegalen Nebenbeschäftigungen nach.

Das stimmt _so_ nicht einmal in der Gegenwart, aber Satiriker leben davon, dass sie überzeichnen, übertreiben, ins Lächerliche verzerren.

Nur... bisher wussten wir nicht einmal, dass in der LFT Leute überhaupt unterbezahlt werden. Das Perryversum ist und war nie das Star Trek Universum mit seinem geldlosen Ideal. Die Finanzlage war wiederholt ein Angriffspunkt feindlicher Mächte. Nur durfte man meinen, dass die tausendjährige Führung Perry Rhodans mit eklatanten Missständen im Arbeitsleben aufgeräumt hat. Nicht mal in den finstersten Stunden HGF-scher Psychopathen klang ein derart deprimierendes Bild der terranischen Gesellschaft durch.

Besonders widerspruchsfrei mag das Perryversum nie gewesen sein, auch im finsteren scheerschen Mittelalter hat das politische, logische und utopische Gefüge der geschilderten Gesellschaft ganz schön geknirscht, aber als allmählich ergrauender Leser habe ich den Eindruck, das mit jedem Zyklus mehr Willkür einzieht, dem (notwendigen) Spielraum der Einzelnen Autoren vielleicht zu viele Freiheiten eingeräumt werden, der Expokrat seinem Plot womöglich zuviel Konsistenz und Glaubwürdigkeit opfert.

Die Abenteuer in Wien und Neapel könnten aus einem nicht verwendeten Treatment/Manuskript zur High-Tech Fantasy-Serie Shadowrun entstammen.

Authentisches PR-Feeling kam bei mir nur selten auf, am ehesten durch die Nennung oder die Auftritte der alteingesessenen PR-Figuren.

Sprechen wir – endlich – über Norman.

Viele Hefte lang wurde das arme Tier von Autoren (damals HoHo) recht unmotiviert und unreflektiert in Einsätze mitgenommen. Es geschah halt, und mehr als rudimentäre Begründungen wurden nie gegeben. ("Ich halte solange die Luft an bis Norman mitkommen darf!" "Du hast gewonnen.")

Nachdem eine mikroskopisch kleine Anzahl von Nörgler die Normaniaden nicht mehr lustig fand und das sogar in ganzen und manchmal verständlichen Sätzen artikulierte, den Autoren die zunehmende Ähnlichkeit eines PR-Heftes mit den guten, alten Bussi-Bär-Heften auffiel, und Uwe Anton vom psionischen Anti-Normanschwall eines Leserkollektivs bereits Zahnschmerzen bekam, wurde nach einer kurzen Normanpause die zweite Epoche seiner Lebensbeschreibungen eingeleitet. Mal mehr, mal weniger gelungen durfte über die alten Missstände gewitzelt werden. Die wieder denkfähigen über-intelligenten Kapazunder des Perryversums durften sich über die tierquälenden früheren Einsätze des Elefanten auslassen. Der Norman-Kult trieb wieder Blüte.

Zeit also für die dritte Epoche. In der der Klon wieder im Zentrum des Geschehens stehen darf. Wacker an vorderster Front für die Befreiung der Erde, die Bestrafung der Schurken und hohe Verkaufszahlen kämpfen darf.
Und zur Beruhigung des immer noch lauernden zwielichtigen Leserkollektivs von damals natürlich viel durchdachter und logischer und glaubwürdiger...

Ja, ja...

"Schrecklich war es, wie früher Norman in artfremde Biotope und für Elefanten ungeeignete Planeten entführt wurde." Dürfen unsere vom WWF längst geadelte Protagonisten nun feststellen. Und mit einem Streichelzoo einen unendlich besser geeigneten Ort finden, um den Keksfresser um sich zu haben. Diverse Rucksäcke lassen wir mal außer Acht, schließlich soll auch schon so manches Hündchen in einer Damenhandtasche gesichtet worden sein. Und auch eine Erklärung, warum der Kleine unbedingt dabei sein muss, warum er nicht von einem subalternen TLD-Agenten in die Wunderschönen Freigehege von Indien gebracht wird, darf diesmal nicht fehlen. Guckys Konkurrent um den Titel des "Retters der Universen" reagiert mit einem allergischen (?) Tröten auf jeden von Gon-Orbhin Übernommenen.

Schon praktisch, was die arkonidischen Klons so alles können. Welche praktischen PSI-Kräfte in ihnen lauern. Oder hat die Nähe zu kosmischen Großereignissen da zu einem psionischen Ritterschlag 2.Ordnung geführt?

Ja, die neuen Abenteuer Normans sind viel, sind viiiiiel besser durchdacht und glaubwürdiger als seine alten Jugendsünden.

Und als der Klimax beider Romane erreicht wird, die Spannung am Höhepunkt ist, die Ausführung von Homer Adams Plan am Scheideweg steht, alle Vorbereitungen und Hoffnungen zu scheitern drohen, da ist es wieder die göttliche Eingebung, die Norman die Gefahr nicht nur erkennen sondern sogar beseitigen lässt.

LL ist beileibe kein Vielschreiber im PR-Autorenteam, aber in seinen dennoch bereits zahlreichen Romanen ist ihm (m.E.) noch keine
Schlüsselszene so sehr misslungen wie diesmal.

Die Szenerie ist bescheiden, der Spannungsmoment will nicht so recht zünden, die Chemie zwischen den Figuren stimmt auf einmal nicht. Der Höhepunkt zwei Romane ist banal und uninteressant. Ein Opfer ist fast zwingend notwendig, um zu retten, was zu retten ist. Also muss das nette Mädchen mit dem Lotterleben schnell mal dem Bösen verfallen. Und vom
Sofortumschalter Norman (die Fähigkeit scheint er dem Erben vor einiger Zeit geklaut zu haben) in einen praktischerweise vorhandenen Schacht gestürzt werden. (Minimal besser als ein Degenduell Mädchen-Norman!)

Mensch und Tier hängen noch an einem rettenden Seil. Und der Showdown, der Hefthöhepunkt wäre noch zu retten gewesen. "Rette dich, er ist nur ein Tier", schreit Mondra. Sichtlich keine Sofortumschalterin. Unseren Helden ist zwar klar, dass die arme Babette von G-O übernommen wurde, Adams war ein paar Seiten vorher sogar bereit, den alten Freund Bully zu opfern, wenn es denn sein muss, im Interesse der Menschheit. Aber auf einmal, in einer verkorksten Szene sind die beiden anscheinend bereit, ihren Plan aufzugeben, Gon-Orbhon in ihre ohnehin bescheidenen Karten schauen zu lassen?

Ach ja, sie sind ja die "Guten". Die etwa den vielen zigtausend und hunderttausend Menschen am und um den Vesuv bei der Zündung der in Position gebrachten Vulkanbomben zehn Minuten Zeit geben wollen, um sich in Sicherheit zu bringen.

Zurück zu Norman.

Sollte das sein Ende sein? Emotionaler Höhepunkt einer Leser-Figur-Beziehung, wie es sie in der PR-Geschichte nur selten gegeben hat? Ein heroischer Abgang, der in seiner überzogenen Theatralik seltsam passend gewesen wäre?

Jeder Übernommene hat bisher nur im nicht näher bekannten Sinn des Gon-Orbhon gehandelt. Nicht mal Bre Tsinga konnte sich dem Bann auch nur ansatzweise entziehen.

Der armen, geschmähten, 100 Seiten lang recht unreif geschilderten Babette gelingt es dennoch. Um das liebe Tier zu retten, opfert sie sich, widersetzt sie sich G-O, fügt dem Gegner keinen Schaden zu, .

Hier entlädt sich in wenigen Seiten mehr Schrott und Theatralik und Out-of- Plot und Out-of-Charakter Schundschreiberei als in allen vorangegangenen LL-Roman zusammen.

Ich bin geneigt anzunehmen, dass ihm dieser "Höhepunkt" vom Expose aufgezwungen wurde, dass er sich dieser Pflicht so schnell und auf so wenig Raum wie möglich entledigte.

Die Tatsache bleibt: eine schwache Leistung, eine entsetzliche Leistung. Und ist es wirklich nur Zufall, dass der von mir so sehr geliebte (ähem...) Norman da mit von der Partie war?

Alle anderen negativen als auch positiven Aspekte der Romane verblassen da: Durchaus eindrucksvolle Schilderungen des riesigen Kybb-Titanen über dem Vesuv, der spürbare Bruch im Erzählfluss, als unsere Helden Neapel erreichen und der Autor (wieder m.E. doch ein wenig den Spaß am Roman und dem Schreiben verloren hat).

Ausblick:

Ich setze meine (zweimal zwei) Euros auf die nächsten Leo-Lukas-Romane.
Vielleicht darf/will/muss er die Mole-Geschichte zu einem neuen Höhepunkt/
Abschluss führen? Für ein wenig "echte" Tragik sorgen, einen emotionalen Höhepunkt vor dem Antonschen Zyklusabschluss schaffen?

Aus vielen Gründen war ich diesmal mit seiner Leistung wenig zufrieden; nur das Potenzial durchschimmern zu sehen, ist mir halt zu wenig.

Nix für ungut, lieber Leo, und kü... (äh, bei reichlicher und reiflicher Überlegung muss ich dann doch feststellen, dass ich es nicht nur auf Grund meiner sprichwörtlichen Schüchternheit vorziehe, trotz meines wienerischen Erbes, keinem aus dem derzeitigen Autorenteam die Hand zu küssen) ...schüttle die Hand.

Lass dir, nicht von der besten Ehefrau von allen, aber vom lästigsten Nörgler unter vielen, sagen, dass manchmal mehr weniger ist und weniger mehr...

 

Dieses Visier wurde verfasst von Rudolf Thiess