Sprachnörgeleien 2377
Zugrunde liegender Roman: Christian Montillon - ESCHER
S.9: „ ‚Du hast eine Überdosis Arimal-3 geschluckt, was dich nicht gerade besonders vertrauenswürdig macht. Und jetzt verlangst du etwas ganz und gar Ungewöhnliches von mir. Warum?‘ ‚Nicht eine Überdosis‘, widersprach Savoire. ‚Mehrere Überdosen. Ich wäre beinahe gestorben, doch das war ein kalkuliertes Risiko.‘“
Das verstehe ich nicht ganz. Eine Überdosis bezeichnet eine zu große Menge, wobei nichts darüber ausgesagt wird, in welchem Ausmaß diese Menge zu groß ist. Meint jetzt ‚mehrere Überdosen‘ , dass er bereits häufiger eine zu große Menge dieses offensichtlich rauschgiftähnlichen Stoffes genommen hat? Oder will er sagen, dass die Menge für mehr als ein Wesen zum Sterben reichen würde? Dann war das aber als Risiko nicht korrekt kalkuliert.
S.24: „Savoire fiel auf, dass die Kreuzkokons untereinander verkabelt waren; jeder schien mit jedem verbunden zu sein.“
Vielleicht kann jemand, der gut rechnen kann, mich beruhigen und darstellen, dass diese Aussage so nachvollziehbar ist. Mir kommt das irgendwie merkwürdig vor. Um diese Verkabelung zu sehen, muss sie offen verlegt sein. Der Raum misst 50 mal 50 Meter. An jeder Wand stehen 16 Kreuzkokons. Verbindet man jetzt jeden mit jedem auf dem kürzestmöglichen Weg, dann ergibt das welche Kabellänge? Und legt man für ein so wichtiges Kabel inklusive Beschädigungsschutz, also Ummantelung, nur einen Zentimeter Durchmesser zugrunde, welchen Prozentsatz des Bodens würden sie dann bedecken? Vielleicht geht das ja so, dass man trotzdem dort noch wie geschildert herumlaufen kann ohne dauernd zu stolpern. Aber vielleicht meint die Aussage auch nur, dass alle Kokons an einem umlaufenden Kabel angeschlossen sind. Dann wäre es nur sprachlich ungenau ausgedrückt.
S.30: „Er sprang so abrupt auf, dass er sich an der niedrigen Decke den Kopf schlug. Er glaubte, seinen Augen nicht trauen zu dürfen. Im Kokon Süd zwölf - lag Rodin Kowa! ... Er hatte sich als Prozessor ins Netzwerk integriert. Eine Ungeheuerlichkeit.“
Und weil das so ungeheuerlich ist, erwägt Savoire später, Kowa mit diesem Wissen zu erpressen, bzw. hat dieser Angst davor, dass das geschieht. Wenn das aber – zumindest zu dem Zeitpunkt noch – so ein Frevel ist, warum unternimmt Kowa dann nicht das Geringste, um die Tatsache geheim zu halten? Ein bisschen Biomolplast hätte da doch schon Wunder wirken können. Stattdessen liegt er da stundenlang herum und hofft, dass es schon keiner mitbekommen wird? Unwahrscheinlich.
S.43: „ ‚Ach ja, ich vergaß, dass verschiedene kleinere Sender die Vorlesung aufgezeichnet haben‘, ergänzte Savoire beiläufig. Natürlich hatte er es keineswegs vergessen.“
Natürlich nicht, sonst wüßte er es ja auch nicht mehr. Aber eigentlich meint er wohl auch nur ‚ich vergaß, zu erwähnen‘.
S.45: „nimmt die Zahl der Prozessoren noch drastischer ab als zuvor. Wen haben wir denn noch? ... Ansonsten etwa fünfzig Leute, die immer seltener kommen.“
Ja und warum sollten sie denn auch? Im ganzen Roman wird nicht erklärt, was die Menschen bewegt, sich als Prozessoren zur Verfügung zu stellen. Bekommen sie Geld dafür? Welches andere Motiv könnten sie haben und warum zieht das irgendwann nicht mehr? Sehr unbefriedigend, dass man als Leser darüber so überhaupt nichts erfährt. Zumindest die im Vorgängerband angedeuteten Motive späterer Generationen von Prozessoren scheinen zu der hier geschilderten Zeit keine wesentliche Rolle zu spielen.
Und als Abschluss mein absolutes Lieblingszitat der Woche:
S.24: „Wir stehen übrigens im Ostblock, vor der Einheit...“
Diese Nörgelei wurde verfasst von Kritikaster