Im Visier 2211
Zugrunde liegender Roman: Rainer Castor - Praetoria
Vorbemerkungen und Plot
Formales:
Das wäre ein Roman bzw. ein Heft gewesen, bei dem ich am Cover schon eine gediegene Weltraumszene erwartet hätte.
Und es wäre schön gewesen, wenn in dem Heft, in dem ein neues Weltraumspielzeug vorgestellt wird, auch gleich die entsprechende Risszeichnung eines Praetoria-Würfels mitgeliefert worden wäre. Anstelle eines nicht unbedingt aktuellen Maahk- Raumers.
Plot:
Schmacht. Keuch. [Babelbabel] Zisch. Rumms. Bang. [Babelbabel] Dröhn. Saus. Düs. [Babelbabel] Knall. KraAAAWUUUM. BuuuUUUUM. [Babelbabel][Babelbabel] Zoiing. Boiing. Krzmzzzmssz. [Babelbabel] Tatueee. Täterätä. Ächz. Uff. Aaaah. Klatsch-Klatsch!
;-)
Auf Rumal basteln Terraner am Projekt Praetoria, das so geheim ist, dass nicht einmal die Bastler nach dem Basteln wissen, was sie so während der Bastelstunde getrieben haben.
Bully sagt in Richtung Arkon: "Bis hierher und nicht weiter. Wir sind die Helden des Epos." Nett, wie die Posbis meist sind, wenn sie nicht grad mal unnett sind, haben sie den Terranern ein paar zigtausend spezielle LFT-Posbi-Boxen gebaut.
Mit deren Hilfe besetzt Bull einen Planeten im Hayok-Archipel. Gundel Gaukeley... äh Ascari findet das natürlich unerhört, wo sie doch gerade ihrerseits einen kleinen Angriff auf das lästige Sternenreich des Vaters ihres missratenen Sprösslings starten wollte. Mit etlichen zig-tausend Großraumern und ein paar hunderttausend kleineren Modellen will sie die zweite Besetzung Terras zum Teufel jagen. Als ihr das fast zu gelingen scheint, erschallen die Fanfaren und Praetoria, das neueste Würfel-Puzzle-Gigant-Festungsraumschiffs Terra mit 116 3000m Kuben und einer kleinen Murmel im Zentrum, lehrt den vor allem an den Auswirkungen der Hyperimpedanz siechenden Arkoniden das Fürchten. Ascari zieht den Schw... äh, na egal, was auch immer, ein, und die siegreichen Terraner feiern in großer Runde den Triumph, auch wenn sie unter Umständen hinterher zu Fuß nach Hause gehen müssen.
Tei 2
Rezension
Positives:
Der Spezialist für's Präsentieren großkalibriger Spielzeuge, Castor, zeigt uns Steuer zahlenden Terranern, wohin in die letzten Jahren die vom Säckelwart eingesammelten Galax' gewandert sind. Vom Grenzfall Old Man abgesehen ist das wohl der größte Raumtitan, den die Terraner bisher gebaut haben.
Ein paar Besatzungsmitglieder werden vorgestellt, dann wird fotogen mal fragmentiert und defragmentiert. Technophile Gelüste werden ein wenig gestillt. Bei der Hyperimpedanz eine weitere Schraube angezogen. Bull haut auf den Tisch. Die Arkoniden schauen ein wenig belämmert drein, als die vermeintlichen Opfer von Terra ihnen zuvorkommen. Zum Drüberstreuen wird noch ein arkonidischer Spion oder Saboteur zur Strecke gebracht.
Nach vielen Wochen gibt's endlich (?) wieder eine zünftige Raumschlacht. Die Kanonen sprechen, die Schutzschirme brechen reihenweise zusammen, Posbi-Boxen und Gwalons werden in Großpackungen verschrottet, und zu guter letzt nimmt Ascari Reißaus, um sich beim väterlichen Tyrann Bostich auszuweinen und das nächste Mal wieder Mascanten Kraschyn den Vortritt zu lassen.
Viele Passagen des Romans hätten KHS wohl großen Spaß gemacht. Und langweilig war's tatsächlich nicht. Und zwischen dem Infodumping wurde die Handlung ein gehöriges Stück weitergebracht. Vor allem war der Grossteil dieses Infodumpings und des Technobabels für's Erzählen der Geschichte notwendig, war keine zusätzliche (und unnötige) Draufgabe.
Auch beim sehr kritischen Blick war's doch weit mehr als nur ein auf Romanlänge gebrachtes Daten- oder Technikblatt.
Neutrales:
Ein neuer Anlauf für ein Modulraumschiff. Diesmal kein schwer vorstellbarer und kaum auf Papier zu bringender Irgendwas-"aeder" wie bei der Gilgamesch, sondern leicht vorstellbare Würfel aus der Lego-Box. Na mal sehen, ob das Ding "zu leben" beginnen wird.
Wirklich vermisst habe ich Raumschlachten eigentlich noch nicht, die Entzugserscheinungen hielten sich doch in Grenzen, aber weil beide Parteien ja weit eher gegen den aufziehenden Hypersturm kämpften als gegeneinander, konnte ich ganz gut mit Verschluss- zuständen und kollabierenden Schutzschirmstaffeln leben.
Die tatsächlichen Verluste und Opfer wurden wieder mal mehr oder weniger geschickt heruntergespielt, aber es wäre auch nicht sehr geschickt geworden, die Feuertaufe der neuen Terra-Festung mit einem zu deutlichen Blutbad zu verbinden.
Neue Figuren wurden vorgestellt, die mittelfristig wohl noch des öfteren ihre 15 Minuten Rampenlicht genießen werden. Schmerzhaft war keine diese Figuren, aber...
Vor zwei Wochen hat UA es doch glatt geschafft, dem faden Trim ein wenig Leben einzuhauchen. LL hat vor einer Woche mit der Nebenfigur des Maulwurfs geschickt von den Schwächen bzw. böser gesagt der Nichtigkeit des Exposes abgelenkt. Und selbst AE hat vor drei Wochen eine andere Art von Geheimagenten zu Papier gebracht.
RC hat wohl erst gar nicht versucht, an diese "Tradition" an- zuschließen. Seine vorgestellten Figuren haben einen Namen, eine Funktion, den Hauch von ein paar Beziehungen zueinander, aber das war es auch schon. In vielen Belangen schreibt er Romane, wie sie ein KHS heute vielleicht schreiben würde; aber wenn KHS gut war, dann lebten auch seine Figuren, dann spürte man bereits beim ersten Auftritt von Kasom und Danger (z.B.), dass hier zwei zukünftige Handlungsträger geschildert wurden.
Ich kann wirklich nicht behaupten, dass im Heft 2211 auch nur eine neue Figur aufgetaucht ist, bei der ich es bedauern würde, wenn sie wider Erwarten doch nicht wieder in Erscheinung tritt.
Wie schon oft, m.E. zu oft, hat RC eher einen Bericht aus dem Perryversum abgeliefert und weniger eine Erzählung von Helden und Schurken, von finsteren Mächten und dem Hoffnungsschimmer am Horizont. Ich würde liebend gerne mehr vom "Erzähler" Castor lesen als vom Technokraten Castor.
Negatives:
Eine Raumschlacht! Über 700000 arkonidische Raumschiffe. Ja, ich habe die Schlacht auch unter Positives und Neutrales angeführt. Und hätte die Auflistung unter "Negatives" vielleicht bleiben lassen, wenn nicht..., ja, wenn nicht schon wieder Ascari beweisen musste, dass sie, egal mit welcher Übermacht nicht zum Siegen geboren ist, es sei denn es geht gegen irgendwelche dem terranischen Zoo entlaufenen Affen.
Technisch gesehen hat jetzt Reginald Bull doch einen Angriffskrieg gegen Arkon begonnen, oder? Auf eigene Kappe, ohne vorher mit dem Ersten Terraner zu konferieren. Da wird der Humanist und Tu-Nie-Böses PR ganz schön böse sein, wenn er seinen AI-Urlaub im Sternenozean beendet hat. Erinnern wir uns daran, dass er Ascari nach ihrem harten Vorgehen gegen das die Jankaron bedrohende Piratengesindel zu Beginn des Tradom-Zyklus vor's Kriegsgericht bringen wollte! Da müsste er seinen Freund jetzt eigentlich standrechtlich erschießen lassen.
(Aber wie gut, dass er zusammen mit Atlan ohnehin seit vielen Zyklen an Alzheimer leidet...)
Interessant wäre der Roman z.B. aus der Sicht eines netten, ehrlichen, fähigen, idealisierten arkonidischen Jungoffiziers oder Soldaten gewesen. Verbrecherische terranische Banditen besetzen einen arkonidischen Planeten, ziehen eine Flotte zusammen, tauchen mit einem Weltraumtitanen auf und zerschießen die verteidigende arkonidische Flotte.
Alles andere als koscher ist auch die Behandlung der terranischen Preatoria-Besatzung. Gehirnwäsche, Gedächtnis- blockaden und ähnliche nette Methoden sind bei allen Betonung von Geheimhaltung doch sehr fragwürdige Praktiken. Und vertragen sich nicht mit dem glorifizierten Bild der LFT, das nach dem Zwischentief um 1800 von den irdischen Gesellschaft 1300 NGZ gemacht wurde. Beim Liga-Dienst wurde noch ausgesagt, dass Monkeys Spezialabteilung zwar zum Töten ausgebildet wurde, aber nie eingesetzt wurde. Was nicht sehr glaubwürdig klang. Jetzt werden 10000 unbescholtene Bürger unter Drogen/Gehirn/Erinnerungsblockaden gehalten. Amnesty International gibt es in der LFT wohl nicht mehr.
Nichts dagegen zu sagen, dass in einer Romanhandlung eine bedrohte Welt zu derart rigorosen Maßnahmen greift, aber ein wenig Reflexion darüber, ein wenig Eingehen (des Autors) auf die Thematik und Problematik hätte dem Roman nicht geschadet. Z.b. anstelle der unnötigen Sabotage/Spion- Passage zu Beginn des Heftes.
Zum Glücksspiel, das PR und Co. mit der PRAETORIA betrieben haben, wurde hier in der NG schon einiges gesagt. Ohne Hyperimpedanz hätten zwei, drei Gwalons sie wohl problemlos von Außen nach Innen geknackt. "Arkanoid 1300 NGZ" gespielt.
Fazit:
Ein durchaus interessant zu lesender Bericht über ein neues Modulraumschiff, die Eskalation des Konflikts zwischen Terra und Arkon zu einem heißen Krieg, die Eskalation der Hyperimpedanz und zum (kurzzeitigen) Ende der Raumfahrt und der High-Tech im Perryversum.
Hätten noch lebendige, Emotionen und Neugier weckende Figuren den Bericht aufgelockert, wär’s wohl einer der kleinen Klassiker oder Schlüsselromane der Serie geworden.
Und meine Bewertung würde über ein "ordentlich", "akzeptabel", "nett", "okay" hinausgehen.
Rudolf
Dieses Visier wurde verfasst von Rudolf Thiess