Im Visier 2257

Zugrunde liegender Roman: Arndt Ellmer - Der Mikrodieb

Vorbemerkungen und Plot

Wie schon mehrmals muss ich darauf hinweisen, dass Ähnlichkeiten
der im folgenden auftretenden Figuren mit lebenden Personen und
Autoren zwar nicht zufällig sind, diese Figuren aber ungeachtet
der Ähnlichkeiten genauso fiktiv wie ihre der PR-Serie entsprungenen
Gegenparte sind. Jedwede vermeintliche Charakterisierung oder
Beschreibung ist alleine einem meist vordergründigen Effekt
(oder Lacher) geschuldet.

Plot:

Eine Raumfahrt die ist lustig,
Eine Raumfahrt, die ist schön,
Denn da kann man fremde Sterne
Und noch manches andre sehn.
Hol-la-hi, hol-la-ho,
Hol-la-hi-a hi-a hi-a, hol-la-ho.

Eine Raumfahrt, die ist lustig,
Eine Raumfahrt, die ist schön,
Denn da kann man unsre Leute
Auf dem Ringwulst jammern seh'n.

Unser Kapitän, der Dicke,
Kaum drei Guckys ist er groß,
auf der Brücke eine Schnauze,
Wie'ne Kalupdüse groß.

Und der erste Maschinist,
Ist Oxtorner, und ein Gfrast,
U nd der erste Offizier,
Der trägt SERUNs aus Papier.

(Ja, ich habe dieses Liedchen wohl schon einmal für ein
Visier angesungen, aber ist es ja auch nicht die erste
ganz toll gefährliche Abenteuerraumfahrt in unbekannte
Gefilde.)

Die galaktischen Gon-Orbhon-Bändiger fallen polternd und
und heimlich gleichzeitig und unter der illegalen Deponierung
von raumverschmutzenden, ausgebrannten Hawks am heruntergekommenen
Wegrand in die Magellansche Bastion des Möchtegern-Gottes ein.

Während sich Kantiran und Ascari endlich mit wenigen Worten
nichts zu sagen haben, ordnet Bully als erste herkulische
Großtat die Errichtung einer LFT-Mülldeponie an, lässt sich
aber unter Setzung fragwürdiger Priorität die Sicherstellung
eines Hyperfunkgerätes entgehen, das trotz HI eine Reichweite
von zumindest 400 Lichtjahren hat.

Ein Teil der Mannschaft geht nun daran, wenige Tage nach

Weihnachten, endlich die lästige Verpackung um die RICHARD BURTON
zu entfernen, ein anderer Teil jagt einen unkollegialen Dieb, der
sich frech wertvolle Akkus, Schraubenzieher, Steckverbindungen
und elektronische Kleinelemente aneignet anstatt sie brav und
ordentlich versteuert beim bordeigenen Versandhandel zu bestellen.

Allesamt geraten sie in Teufels Küche, als ein unbekannter
erzürnter Gott seine Kugelblitze auf sie schleudert, sich aber
zum Gespött seiner Kollegen auf dem magellanschen Olymp macht,
als er nur ein paar altersschwachen Gurrad-Raumschiffen den
Garaus macht anstatt dem schnittigen Schiff aus Terras Werften.

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Von den Schwierigkeiten, ein Expose an den Mann (den Autor) zu bringen:

-----------

"Das kann doch nicht dein Ernst sein!"

"Es ist aber so!"

"Komm, gib dir einen Stoss."

"Et tu, Brute? Noch mehr Prügel? Ja, ja, zuerst von der
undankbaren Nörglerschar K.O. geschlagen und ausgezählt,
und dann noch ein Stoss vom eigenen Redakteur!"

"Aber nicht doch. Im Gegenteil! Gib dir selber einen
Stoss, rappel dich hoch, spuck' in die Hände. Das ist
eine Geschichte, ein Expose, wie für dich geschaffen.
Da ist alles drin, was einen guten Castor-Roman ausmacht."

"Das sagst du..., aber die... die da draußen, diese
Siebennörgler, die warten doch nur darauf, wieder über
mich herfallen zu können."

"Jeder bekommt mal schlechte Kritiken. Ich weiß noch, wie
ich mein erstes Manuskript dem Reich-Ranicki vorgelegt habe..."

"Sie haben sich lustig gemacht, über Atlan, über Bostich,
über das arkonidische Adelslexikon!"

"Aber es gab doch auch positive Reaktionen."

"Ja; von dir kam 'Dieses Roman ist ein echter Hammer.' Und
dann war noch der Leser mit Einschlafproblemen, der mich
allen seinen Leidensgenossen vorstellen wollte."

"Na siehst du, man muss auch die positiven Seiten sehen.
Was verlangst du denn noch, um endlich mit dem Schreiben zu
beginnen?"

"Den Kopf der Obernörgler? In Rahmsoße aber ohne Muuhrtwurm?
Oder zumindest deren rechten Hände?"

"Ganz im Vertrauen, ich bin ja geneigt, mich da anzuschließen,
aber der Vertrieb hat strengstens verboten, auch nur einen
Leser zu verstümmeln oder in ein flackerndes Schwarzes Loch
zu werfen. Das ist eine aussterbende Rasse, die gehegt und
gepflegt werden muss."

"Wie wäre es mit einer gerichtlichen Unterlassungserklärung?"

"Ein paar der schlimmsten Exemplare sitzen im Ausland! Komm,
sei kein Sternenvogel! Ascari hat in dem Expose ihren Auftritt,
und Trerok, es geht um die Hyperimpedanz im Leerraum und in
der GMW. Du kannst eine Betriebsanleitung über den Ein- und
Ausbau von Hawks in ENTDECKERN schreiben, eine Rückblende in
Treroks Kindheit, viele Seiten über den Umbau der RICHARD
BURTON, Hyperschlünde und den Meganon-Faktor auch dem
schöngeistigsten Leser nahebringen, und das neue Waffensystem
Gon-Orbhons vorstellen..."

"Und was ist mit den Oldtimern, dem Suprahet, Leyden, vielleicht
eine arkonidische Adelszeremonie, wenn Ascari Trerok zum
arkonidischen Brat'pfan 2.Klasse ernennt..."

"Alles solange ein, zwei Seiten über die Ankunft der Terraner
in der GMW übrig bleiben!"

"...Klingt auf den ersten Blick verlockend... aber ich habe
bereits mit dem Manuskript zu 'Schwester Rosis Glück mit
dem Graf von Schloss Schlemmerstern' begonnen. In dem Genre
gibt's nur nette, liebe, herzige Leser, die lieber Kekse
backen und an ihre Lieblingsautoren schicken als sie mit
Haut und Haaren durch den Kakao zu ziehen. Irgendwann muss Schluss sein mit den masochistischen Leben als PR-Autor!"

Tei 2

Nörglers Cut/Special Edition:

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Ausgewählte Auszüge aus einigen einer übertriebenen
Political Correctness und allgemeinen Verharmlosung harter
Realitäten zum Opfer gefallenen Schlüsselpassagen des Romans:

---- Der Blue-Collar Raumfahrer Hansi Kartbohrd erlebt die
Demontage der RICHARD BURTON Würfelhülle hautnah mit:

Es war eine verdammte Knochenarbeit, nicht nur sprach
sie jeder Zumutbarkeitsklausel Hohn, war auch das Risiko für
Leib und Leben enorm. Um die wertvollen Akkus des Raumgiganten
zu schonen war nicht nur die zugebilligte Wassertemperatur
für die Schönheitsbäder ihrer Durchlaucht Ascari auf
eher erfrischende denn angenehme 25 Grad Celsius festgelegt
worden, sondern musste die RICHARD BURTON händisch - mit
Muskelkraft - aus ihrer würfelförmigen Schale ausgebrannter
und zu Teil verrosteter Hawks geschoben werden. Tausende
in lange, verbundene Gurten gespannte Raumfahrer trieben daher
schwebend vor dem Raumschiff, richteten sich in mehrere geordnete
Reihen aus und warteten auf das Zieh-Kommando.

"Wir sind die neuen Mulis des Jahres 2233 NGZ", dachte Hansi
bitter. Er und einige Dutzend anderer Freiwilliger hatten den
gefährlichsten Job übernommen: Dafür zu sorgen, dass die
frisch gestrichene Kugel der RICHARD BURTON nicht seitlich
abdriftete und die Würfelumrahmung streifte. "Jungs", hatte
Bully in einer seiner motivierenden Rede gesprochen, "die Staatskasse
ist nahezu bankrott, die Versicherungen für unsere Schiffe
werden immer teurer, wir können uns eine weitere Malus-Stufe
einfach nicht leisten. Und ihr wisst ja, wie teuer so ein
vakuumresistenter Anstrich ist. Deshalb muss das oberste Gebot
sein: keine Kratzer! Koste es was es wolle! Wir haben Arkon
gerettet und Andromeda erobert und die Ulebs abgewehrt und das
Konzil zum Teufel geschickt, wir kriegen auch diese Mauer
um unser schönes Schiff klein!"

Auf den ersten Blick klang die Aufgabe der Freiwilligen gar
nicht so aufregend, schließlich spielte das Gewicht des
ENTDECKERS in der Schwerelosigkeit keine Rolle. 'Ich wünschte
nur, ich hätte in der Schule besser aufgepasst', dachte Hansi.

'Von dieser verdammten Trägheit hat uns keiner erzählt, und
dass die Masse erhalten bleibt.' Mit einem unterdrückten
Würgen blickte er zu dem rostrot aussehenden Blutfleck auf
dem Ringwulst der BURTON. Es schwebten sogar noch einzelne
in der Kälte des Vakuums erstarrte Blutstropfen um ihn herum,
obwohl der erste abgebrochene Testversuch bereits mehrere
Stunden zurücklag. Der armen Tamara war es zwar gelungen -
ES und Perry Rhodan alleine mochten wissen, wie - den
Zusammenstoss von Rumpf und Würfelwand zu verhindern, aber
in den wenigen Millimetern, die die beiden Körper zuletzt
voneinander getrennt gewesen waren, hatte sie einfach keinen
Platz mehr gehabt... Wäre nicht der leicht angelaufene Helm
seiner Außenmontur gewesen, Hansi hätte sich ein paar Tränen
aus den Augen gewischt, als er an das Brautkleid in seiner Kabine
dachte, das jetzt wohl nie getragen werden würde.

Dabei hatte er zuvor noch mit Bully persönlich über den
Einsatz zusätzlicher Reparaturroboter verhandelt, die für
die lebensgefährlichen Arbeiten klar besser geeignet wären.

"Vorschlag abgelehnt", war Bullys Reaktion gewesen. Und
erklärt, dass die Repa-Bots zur Zeit in unterbewaffnete,
eher ungeeignete und aufgrund der alten HI-resistenten
Prä-Intel-Chips nur mit Fernsteuerung verwendbare Kampf-Roboter
umgebaut wurden. Beim mit großer Wahrscheinlichkeit bevorstehendem
Kampf mit Gon-Orbhon mussten alle vorhandenen Potenziale
ausgeschöpft werden, vor allem mussten ja auch die durch die
bei den Umrüstungen zu erwartenden Verluste, also all die
verletzten oder umgekommenen Raumfahrer, kompensiert werden.

Der Vorrat an Roboter an Bord des Entdeckers war beschränkt,
während die gemischte Besatzung aus Männer und Frauen im
Ernstfall... hier hatte Bull gehüstelt und von einer
kleinen Zeitreise in die Vergangenheit gesprochen, um mit
neu herangewachsenen Generationen unverbrauchter Kinder und
Enkel... also nicht unbedingt eine Zeitschleife, denn diese
Worte wollte der Residenzminister gar nicht in den Mund
nehmen, aber er, Hansi, werde schon verstanden haben, was
der alte Bull da im Schilde führe... natürlich nur im
äußersten Notfall, falls es zum Schlimmsten käme... und
er, Bull, würde mit seiner lieben Fran ein vielleicht nicht
leuchtendes aber fruchtbares Beispiel geben. Schließlich
war dies eine Zeit, in der Opfer gebracht werden mussten,
Opfer von jedermann...


---- Kantiran trifft Ascari ---

"Hi, Ma!"

"Tag, junger K... Kaa... Kintirian, nicht wahr?"

"Kantiran, Mutter. Kan-ti-ran!"

"Bei Bostel, wer hat dir nur diesen gewöhnlichen Namen gegeben."

"Äeh... du, Mutter?"

"Ich beginne mich ganz schwach zu erinnern. Es ist ja schon
so lange her. Damals war ich jung und stand noch unter dem
Einfluss von deinem Onkel Feldhoff. Das war seine Idee; und
ich Grünschnabel dachte damals noch, er mag mich; er will
mir helfen, mich unterstützen. Er war es auch, der mir
eingeredet hat, mich mit diesem Rhodan einzulassen. Da meinte
ich noch, es ginge um _meine_ Karriere. Er hat mir sogar
die Exposes der nächsten 500 Romane vorgelegt; und mir hoch
und heilig versprochen, mir weder Fehlsprünge nach Tigris in den
Weg zu legen, noch jemals Kurt Brand in meine Nähe zu lassen.
'Und nenn das Balg "Kantiran"', sagte er noch. 'Nenn das
Balg "Kantiran"'. Und kaum hatte ich das Balg, hat er fast
20 Jahre nichts von sich hören lassen. Soll irgendwo ein
Stelle als Schreiberling obskurer Gegenwartsgeschichten
angenommen haben. Typisch Mann. Manchmal meine ich glatt,
du schaust ihm sogar ein bisschen ähnlich."

"Mutter, ich bin gekommen, um dich zu warnen!"

"Nicht notwendig, ich würde den Mayonnaise-Salat in der
Bordkombüse nicht mal mit Handschuhen angreifen."

"Ich spreche nicht von der Bordverpflegung... Oh, du
meinst... aber Icho hat mir den Salat eigens empfohlen,
nachdem er 250 Portionen verdrückt hat..."

"Komm endlich zu Sache, Kintiri..."

"Kantiran, Mutter, Kan-ti-ran!"

"Meinetwegen auch Kantiran, oder Schlendrian, oder Rantanplan,
was immer dir davon am besten zusagt."

"Darf ich endlich auch einmal etwas sagen, Mutter?"

"Falls dein Wortschatz und deine bescheidenen intellektuellen
Fähigkeiten das zulassen, Kan-ti-ran."

"Lass deine Finger von diesem Schiff, und auch die Finger
deines Faktotums. Und denke gar nicht daran, die Tapeten
in der Zentrale nach deinen Vorstellungen zu erneuern, oder
die SERT-Haube unseres Emotionauten gegen deine Ondulier-
Maschine austauschen zu lassen. Ich werde dich auf keinen
Fall diese Mission sabotieren lassen. So wahr ich dein Sohn bin!"

"Zum Sohn wird man nicht, man muss es sich verdienen."

Mit nach oben gerichteter Nase stolzierte die Mascantin von
dannen. Kantiran atmete befreit durch, einmal, zweimal,
und gratulierte sich zu seinem gelungenen Wortsieg über
das auf zwei Beinen wandelnde blonde Mutter-Trauma seiner
jungen Tage.

"Verdienen? Ich soll es mir verdienen? Die abgehobene
Mascantin hat ganz klar keine Ahnung, wie wenig man als
ameisendressierende Hilfskraft an Bord eines LFT-Schiffes
verdient."

Und wie war das noch mal mit der Bordküche? Machte sich
da bereits ein erstes Unwohlsein in seinem Verdaungstrakt breit?

--- zwei kurze Vignetten über Hyperfunk in Zeiten der HI ---

"Mayday! Hilfe! SOS! Meine Sicherungsleine ist gerissen und
ich treibe ab..." Auf den Hauptbildschirmen der RICHARD BURTON
Zentrale war der allmählich im tiefen Raum verschwindende
Raumfahrer noch zu sehen, die Vergrößerung zeigte sogar noch
Details wie winkende Arme und den vergeblichen Druck eines
Fingers auf die Steuerungkonsole der ausgebrannten Raumpropeller.
('Propeller verbrauchen nur ein Drittel der Energie eines
Rückstosstriebwerkes', hatten Techniker und Finanzleute die
Umstellung der SERUNs begründet.) Das überhandnehmende
Rauschen der Hyperfunkverbindung verriet aber, dass der
bedauernswerte Mann bald an die Grenzen der neuerdings arg
eingeschränkten Hyperfunkreichweiten kommen würde.

"So leid es mir tut, aber wir können ihm nicht helfen",
sprach Bully schließlich das Todesurteil für den Mann aus.
"Es wäre eine Energieverschwendung, eines einzelnen Mannes
wegen ein Beiboot auszuschleusen; außerdem ist es ohnehin
fraglich, ob das in der kurzen Zeit möglich ist, ehe sein
kleiner Serun-Hyperfunk aufgrund der Fünf-Kilometerreichweite
nicht mehr zu uns durchkommt." Erschüttert und voll sichtbarem
Hass auf die Kosmokraten, die diese neue Härte in der LFT-
Flotte notwendig machte, wandte er sich an die Zentrale-
Besatzung. "Auch ich muss Opfer bringen, um unser Ziel zu
erreichen!"

Der sich um mehrere Achsen drehende Raumfahrer auf den
Bildschirmen wurde allmählich zu einem Punkt, einem
letzten Pixel, dann verschwand er viele Schiffslängen
entfernt in der wahrhaft wieder unendlich gewordenen Unendlichkeit...

**

"Himmel, Herrgott und Kosmokratengesülze, kann irgendjemand
hier endlich die Funkgeräte ausschalten. Man wird ja regelrecht
verrückt, wenn man sich all diese Hilferufe aus ganz Magellan
anhören muss. Können diese Magellaner ihre kleinen Probleme
nicht selber lösen? Wir haben doch unsere eigenen Schwierig-
keiten. Wie deprimierend. Wie demotivierend. Jetzt zum
Beispiel, hört mal zu, ein Hilferuf aus 400 Lichtjahren
Entfernung! So leid es mir tut, aber da müsste Feldhoff uns
ja ein ganzes Expose mit Heft zur Verfügung stellen, um dort
nach dem Rechten zu sehen. Und ohne Norman wäre es auch viel
zu gefährlich, eine eigene Einsatzgruppe loszuschicken.

Spart Energie, Leute, schaltet die Lautsprecher aus!"

"Was ist mit der Übertragung von der arkonidischen Olympiade,
Chef? Dürfen wir uns die Live-Übertragungen anschauen?

Es kommt dann gleich der gemischte Boxkampf des siganesischen
Meisters aller Klassen gegen einen Zaliter..."

---- Die RICHARD BURTON auf der Flucht vor kosmischem Dumm-Dumm ---

Geschossen

Tolot schüttelte bedächtig den Kopf. "Nein, wir werden es
nicht schaffen", übersetzt Bull die Geste. Sein Blick wanderte
weiter zu Trerok, dem arkonidischen Allwettergenie. Was konnte
er schon verlieren, wenn er eine zweite Meinung einholte?

Trerok wiederholte die Geste Tolots, was bei ihm immerhin keinen
spürbaren Luftzug zur Folge hatte.

Bull schlug mit der geballten linken Faust in die offene rechte
Hand. "Und wir schaffen es doch", stieß er bestimmt aus, nein
_befahl_ er der Zentralebesatzung.

"Hyperimpedanz hin oder her, beschleunigt, was das Zeug aushält,
beschleunigt mit 100% Leistung, mit 150%, nein mit 250 Prozent.
Wir sind Terraner, wir können das."

"40% Licht, 42% Licht, 44% Licht", zählte der Kommandant eine
tödliche Variation eines Countdowns an.

Ein vorbeitreibender Steinbrocken im All, ein irrlaufender Asteroid
eines nahen Sonnensystems, wurde auf den Bildschirmen langsam
kleiner. Noch erkannte man einzelne Felsformationen auf dem
Brocken, aber als die Geschwindigkeit 45% Licht überstieg und
binnen kurzer Zeit viele hundert Kilometer zwischen dem Schiff
und dem Dunkelkörper lagen, wurde er zu einem bloßen Punkt
inmitten weit entfernter Sterne.

Tatsächlich waren erst wenige Sekunden vergangen, seit die
unheimliche Torpedowaffe der unbekannten Wächter des
Sternenhaufens der terranischen Expedition das Garaus machen
wollte, aber für Bull und die erstarrten Leute um ihn
dehnten diese Sekunden sich zu einer kleinen Ewigkeit.

"Werft alles in die Kessel, was nicht niet- und nagelfest ist
und aussieht, als sei es brennbar", feuerte Bull noch einmal
die Leute in den Kesselräumen an. Nicht, dass sie diese
Aufmunterung nötig hatten, es war er selbst, den er damit
ablenken wollte.

"Nicht die Karotten", kam eine dünne, fiepsige aus den
Lautsprechern, "nicht meine Karotten, die haben doch keinen
Brennwert, nehmt lieber die Autogrammkarten von Perry, die
will ohnehin keiner mehr haben."

"Gucky, lass die Leute ihre Arbeit tun", brüllte Bull in
die Sprechanlage. Selbst ihm gingen allmählich die Nerven
durch.

"46% Licht, 47% Licht", sorgte die lauter werdende Zählstimme
des Kommandanten für atemlose Stille.

Verfluchte Hyperimpedanz, dachte Bully, noch vor einem Jahr
wäre der Emotionaut einfach auf das sinnbildliche Gaspedal
gestiegen und wäre den näherkommenden Torpedos problemlos
entwischt.

Endlich, endlich kam das brave Schiff auf Touren. Bullys
Augen leuchteten, als die Zahlen auf dem Hauptbildschirm
schwindelerregende Höhen erreichten. 135000 Kilometer
pro Sekundenquadrat. Wenn er das mit den 50 Kilometer
verglich, die vor kurzem die Gurrads geschafft hatten, oder
das zehnfache der Kugelblitze. Brave terranische
Wundermaschinisten, dachte er zum Trillionsten Mal in
seiner langen Karriere. Wenn es darauf ankommt, werden
sie zu wahren Zauberern.

Weitere Sekunden vergingen, die Kugelzelle dröhnte unter
der Außenbelastung eines Mehrfachen der Lichtgeschwindigkeit...
und dann endlich der Sprung in den rettenden Hyperraum!

[An dieser Stelle hätte für mitlesende Physiker eigentlich eine
Papiertüte aus der Konkursmasse einer Fluglinie dem
Heft beigelegt sein sollen. Gerüchteweise ist sie beim Transport
bei einigen Exemplaren verlorengegangen...]

---

Und um (fast) mit den originalen Worten des Romans zu enden:

"Und wir, die Mitglieder der Lach- und Nörgler-Auswertungsstation,
waren froh, wenn endlich die physikalische Alltag wieder
einkehrte."

 

Rezension

Positives:

Nicht (mehr) sehr originell, aber immer wieder vielversprechend
ist der Vorstoss einer verwegenen Schar terranischer Helden in
ihrem kosmisch gesehen zwar kleinen aber feinen Raumschiff in
das unentdeckte Land, vorzugsweise bewohnt und beherrscht vom
boesen Buben des Zyklus.

Durchaus originell hingegen ist der Umstand, dass jenes
unentdeckte Land sich als die vor der galaktischen Haustier
liegende Magellansche Wolke entpuppt, die vermeintlich bereits
vor 1900 Wochen all ihrer Raetsel und dunklen Winkel verlustig
ging.

Der Aufbruch der galaktischen Flotte nach Magellan brachte dann
auch die im Zyklus immer noch fehlende Stimmung zurueck in die
Serie.

Da konnte beim ersten Heft, das dann tatsaechlich vor Ort
spielte, doch gar nicht viel Schlimmes zu erwarten und zu
befuerchten sein?

Und im Vergleich zum gar schrecklichen Roman mit der Nummer
2252 ("Die Welt der Ursuppe") bietet das vorliegende Heft
durchaus sein Quaentchen Flair, Spannung, Action und Soap.

Die eher familiaeren Probleme einiger Besatzungsmitglieder
werden ebenso angesprochen wie die Jagd anderer Raumfahrer
auf einen unbekannten Saboteur und Dieb, dazwischen bietet
ArEl sogar eine Striptease-Einlage an; auch wenn es nur die
RICHARD BURTON ist, die eine eher mechanische denn anregende
Lektion im Ablegen unnoetiger Huellen vorzeigt. Und zu guter
Letzt duerfen auch noch die Antriebgeneratoren aufheulen, die
Schutzschirme anspringen, Raumschiffe explodieren, neue Waffen
den Aetherhorizont erleuchten und neue Verbuendete gefunden
werden.

Voellig kraft-, saft- und handlungslos ist "Der Mikrodieb" sicher
nicht.

Wie so oft in den letzten Heften werden Dinge endlich
angesprochen oder erwaehnt, die in PR-spezifischen Leser-
foren seit langem diskutiert werden. Ueberlegungen zur
HI im Leeraum werden konkretisiert, Technobabbel wird
nachgeholt. Mehr als einmal war es der Schatten von Rainer
Castor, der sich bemerkbar machte.


Neutrales:


Allerdings muss dieser Roman es sich auch gefallen lassen,
mit aehnlichen "Vorgaengern" verglichen zu werden.

Dem ersten Vorstoss der CREST III in Heft 250 nach Andromeda,
dem Flug der MARCO POLO in die Sombrero-Galaxis in 450,
die Reise der FRANCIS DRAKE nach Magellan, dem Aufbruch der
BASIS nach Algstogermaht. Um nur ein paar zu nennen.

Und da faellt der Vergleich sowohl erzaehlerisch als auch
inhaltlich nicht besonders euphorisch ist. Da wirkt ein 40
Jahre alter Roman schnell frischer und aufregender als der
aktuelle Einstieg in eine neue Handlungsebene.

Der titelgebende Mikrodieb ist im Vergleich zu einem Kalak,
einer Paddler-Plattform, selbst einem Dargist auf der
Jungernfahrt der BASIS, ein auffaellig schwacher Widersacher,
die Besatzung der RICHARD BURTON laengst nicht so bunt und
unterscheidbar wie die der FRANCIS DRAKE oder spaeter der
BASIS.

Trotz aller Handlungselemente koechelt der Roman auf
Sparflamme. Ein unbekannter Dieb von Kleingegenstaenden ist
halt nicht der Stoff, aus dem Mythen entstehen. Wobei die
Frage im Raum steht, ob angesichts der aeusseren Bedrohung,
der zunehmende Naehe zu Gon-Orbhon der schmalbruestige
Saboteur im Inneren ueberhaupt notwendig war? Vor allem wenn
noch dazu eine laengst der boesen, dunklen Seite der Macht
anheimgefallene Ascari anwesend ist, um die liebenswerten,
vertrauensseligen terranischen Traeumer ein wenig aufzu-
mischen!

Somit sind es eher verlorene Seiten, die einem wenig aufregenden
Raetsel zufallen, das noch dazu eine recht banale und
uninteressante Aufloesung findet.

Nicht das "Innere" eines Entdecker-Raumschiffes interessiert
uns, die Leser, sondern in diesem Fall das Aeussere, die
Umgebung, die Zustaende und Vorgaenge in der Magellanschen
Wolke.

Nicht das ArEl dieses Thema ausgeklammert hat, er hakt,
vermutlich gemaess der Vorlage, ordentlich Punkt fuer Punkt
auf der Liste der zentralen Inhalte ab, aber eine ausfuehrlichere
Bestandsaufnahme des Handlungsortes Magellan waere interessanter
gewesen als ein kleinkalibriger Saboteur der Woche. Und fuer
den einen oder anderen Leser wohl auch spannender, trotz einiger
dabei verlorengegangener Action-Sequenzen.


Kantiran ist unbestreitbar eine Hauptfigur des Zyklus, und auch
Ascari darf zumindest mittelfristig eine zentrale Rolle spielen.
Damit dies von jedem Leser auch so gesehen wird, scheinen die
beiden in jedem Heft ihren Kurzauftritt zu haben. Was, zugegeben,
eine dramaturgische Loesung ist, ihre Geschichte ueber einen
laengeren Zeitraum hinweg zu erzaehlen.

Fuer meinen persoenlichen Geschmack verkommen beide damit
aber zu einer Art "Einrichtungsgegenstand". Da koechelt dann
eine Konfrontation auf sehr kleiner Flamme dahin, wobei die
"Meta"-Gefahr ansteigt, dass das vorhandene Konfliktpotenzial
schal wird. Lieber waere mir, den beiden in weniger Heften
deutlich mehr Spielraum zu geben. Und auf drei bis fuenf Hefte
aufgeteilt bis zum Ende des Zyklus eine finale Konfrontation
herbeizufuehren.

Meinem Empfinden nach sind beide als Figuren nicht so
interessant, bunt, einzigartig, originell und facettenreich,
als dass der Status Quo sich ueber mehrere Zyklen hinziehen
sollte und koennte. Parellel zum Hoehepunkt der Gon-Orbhon
Handlung, wenn Bull vermutlich dem falschen Gott den Garaus
macht, koennte und sollte auch Kantiran seine Mutter/Nemesis
endgueltig ueberwinden.

Allerdings sollte diese Finale dann sowohl sprachlich als
auch psychologisch/beziehungsmaessig auf einem anderen Level
stattfinden als die recht banale Begegnung der beiden in
diesem Roman.


Negatives:

Kantiran trifft Ascari.

Fuer die Handlung des Romans nicht unbedingt eine Schluessel-
szene, hat das Treffen keine Bedeutung und Auswirkung fuer
das restliche Geschehen. Deswegen waere es auch falsch zu
sagen, dass hier die Stimmung eines ganzen Heftes zerstoert
wird.

"Unterdurchschnittlich" war die Szene doch, sowohl was das
Heft, aehnliche Konfrontationen in der Serie oder auch ArEls
Figurenzeichnungen betrifft.

"Zum Sohn wird man nicht, man muss es sich verdienen."

Da scheint die Fortpflanzung bei den Arkoniden doch ganz
andere Wege zu gehen als bei uns Terranern. Oder Ascari
weiss einmal mehr nicht, was sie eigentlich spricht.

Oder ArEl wollte einen guten, merkbaren zitierfaehigen
Satz anbringen, der aber doch unfreiwillig komisch wirkt.

"Ich muss mich ihr stellen", stellt Kantiran kurz vorher
fest und verspricht damit eine aufregende knisternde
Konfrontation mit der blonden Admiraelin. Die dann in einigen
wenigen Absaetzen voellig unbefriedigend und oberflaechlich
abgehandelt wird.

"Haette sie davon [von Kantirans Anwesenheit] gewusst, waere
sie vermutlich auf Hayok geblieben", darf Mal Detair Kantiran
aufmuntern.

Mal (oder ArEl) duerften da keine Ahnung haben, wovon sie
sprechen. Die Mascantin, die laengst zur Todfeindin ihres
Sohnes geworden ist, sollte es sich erlauben, vor ihm,
seiner Anwesenheit, zu kneifen? Ihn lieber weit weg, ausser
Reichweite, zu sehen, als ihn auf dem Praesentierteller
vor sich zu haben, auf einer aeusserst gefaehrlichen Mission,
bei der "Unfaelle" nie ausgeschlossen werden koennen?

Das war eine Szene, der jeder Feinschliff fehlte. Leider.


Viele Seiten lang wurde spektakulaer beschrieben, wie sich
die RICHARD BURTON ihrer Wuerfelhuelle aus Hawk-Konvertern
entledigte. Kopf und Kragen durften ausgewaehlte Besatzungen
riskieren, um zu verhindern, dass die Terkonithuelle des
Entdeckers ein paar Kratzer abbekommt.

Energie ist so kostbar geworden, dass nicht das Schiff aus
der Umwandung "geflogen" wird, sondern diese vom Schiff
weggeschoben werden soll.

Da brauche ich kein Phsyiker zu sein, um ein wenig nachdenklich
zu werden. Wir sprechen von einem Schiff, das laufernd auf
50% LG beschleunigen muss, um auf UEL zu gehen. Wieviel
Energie braucht so ein Koloss wohl, um sich mit ein paar
Zentimetern oder Metern pro Sekunde fortzubewegen?

Ob Bully wohl auch die Leselampen im Schiff von 60 Watt auf
25 Watt Leistung hat reduzieren lassen? Und Aufzuege nur in
Notfaellen von Offizieren benuetzt werden duerfen?

Die gefaehrlich lebenden Besatzungen haetten gerne ein paar
Roboter zur Unterstuetzung. Um den RB-Kugel haendisch von
den Wandflaechen fernzuhalten? Bully lehnt das ab, weil
die Roboter gebraucht werden, weil sie fuer zu erwartende
Kampfhandlungen mit Gon-Orbon umgeruestet werden.

Wer da wohl der Boesewicht ist? Bully oder G-O? Ein Bully, dem
ein potenzieller Kampfroboter auf einmal wichtiger ist als
das Leben eines Besatzungsmitgliedes?

Und ist gerade in unserem Perryversum ein Mensch nicht immer
noch der bessere Soldat als der provisorisch umgeruestete
Roboter? Gerade im Zeitalter der HI, nach Wegfall der
Syntroniken? Wo Positronik-Roboter nicht mal auf die
Schnelle ein Geruest an einem Haus anbringen koennen,
oder einen Lastwagen entladen?

Heft fuer Heft habe ich das Gefuehl, dass vor allem die HI
und ihre Auswirkungen die Autoren seltsam ueberfordert, bzw.
jeder einzelne von ihnen seine eigenen Ansichten und
Ueberlegungen zu ihr (der HI) hat.

Da werden Notrufe aus ganz Magellan empfangen, in 400
Lichtjahren Entfernung droht ein Gurrad-Schiff in eine
Sonne zu stuerzen, aber Bully sieht sich ausserstande zu
Hilfe zu eilen. Was er allerdings dringenst tun sollte,
denn das in Not geratene Schiffe scheint einen getunten
Hyperfunk zu besitzen, der der aktuellen terranischen
Variante um einige Groessenordnungen ueberlegen ist.

Ortergerate reichen 50 Lichtjahre weit (nicht nur in
diesem Heft), fuer einen Informationsbruecke muessen
aber in Abstaenden von 5 Lichtjahren Bojen verteilt
werden.

Und als die Not am groessten ist, und die Zerstoerung
der RICHARD BURTON unmittelbar bevorsteht, kitzelt der
Pilot auch schon mal 135000 Kilometer pro Sekundenquadrat
aus den Maschinen heraus. In zweieinhalb Sekunden auf LG?
Da duerfte wohl der nette Springer aus dem Hayok-Archipel
mit seinem Zauber-Traktorstrahl nachgeholfen haben...


Fazit:

Waehrend, wie im Kasten der Hauptpersonen zu lesen,
Icho Tolot als Gefangenenwaerter _wirkt_, Kantiran sich
als _angeblicher_ Sternenbastard seiner Mutter stellen
muss, und Bully der Mission ungenannte Opfer bringen
muss, bleibt der Roman oberflaechlich zwar lesbar und
und bringt Handlung und Expedition voran, aber unter
dieser Oberflaeche laesst er dann doch sehr zu wuenschen
uebrig.

Angesichts des Potenzials beim Vorstoss in das alte neue
Unbekannte waere mehr an Dramatik, Spannung, Action,
Humor und neuen Erkenntnissen moeglich gewesen. Viel
mehr.

Zumindest einer der vier Romane dieses Blocks haette
ein Feuerwerk an Dramatik und Ueberraschung liefern
sollen und muessen. In der Nachbetrachtung war es eben
dieser Roman, der dazu am Besten geeignet gewesen waere.

 

Dieses Visier wurde verfasst von Rudolf Thiess