Sprachnörgeleien 2325
Zugrunde liegender Roman: Arndt Ellmer - Der verbotene Krieg
Teil 1
Dieser Roman eignet sich nicht für eine zitatorientierte, amüsierte Betrachtung kleiner Fehlerlein. Warum? Er ist ‚ein einziges Fehlerlein’. Von ‚amüsiert’ konnte bei mir schon nach wenigen Seiten nicht mehr die Rede sein. Ich musste alle Tische beiseite räumen, da man die sonst fälligen Gebissabdrücke so schlecht wieder aus dem Holz bekommt. Ich habe mit nahezu gleichbleibendem Ärger den Roman aus übertriebenem Pflichtgefühl bis zum Ende gelesen. Wer wissen möchte, wo unlogische Handlungen, Dialoge, Sprachwendungen zu finden sind: Das Heft durch den Scanner ziehen. Passt scho.
Nur an einer Stelle des Romans keimte bei mir die Hoffnung auf Besserung. Auf S. 37 heißt es. „Der erste Schritt zur Entwirrung der unübersichtlichen Situation in der Eastside war getan.“ Da glaubte ich für einen kurzen Moment, die bisherige konfuse Beschreibung sei ein stilistisches Mittel, um dann zu zeigen, wie gut die Chaosmächte für Ordnung sorgen können und dem auch im sprachlichen Ductus Ausdruck zu verleihen. Die Hoffnung erfüllte sich nicht.
Ich bin mit dem bisherigen Zyklus recht zufrieden und möchte nicht in den Verdacht geraten, Pauschalkritik zu üben. Aber was ist positiv an diesem Roman? Das Titelbild und die Erwartung, dass man von den Protagonisten nie wieder etwas hören wird.
Und um doch noch ein Zitat zur Kennzeichnung oder als Motto des Romans herauszugreifen S.9: „Sie strotzten vor Stolz und Selbstverständnis“
Ja, auf dem Niveau.
Teil 2
Ich habe es befürchtet. Seit 2148 kommentiere ich jedes Heft – und wenn ich nichts kommentiere, dann habe ich auch nichts Negatives daran entdeckt. Diesen Eindruck durfte ich bei 2325 nicht erwecken, andererseits hätte ich mir eine Detailkritik auch mit Rücksicht auf meinen Blutdruck gerne erspart. Aber wenn sie denn eingefordert wird, muss ich mich dem Anliegen wohl stellen.
Da ich bei dem Roman keine Notizen gemacht habe und ihn wirklich nicht noch mal lesen möchte, können Ungenauigkeiten vorkommen, ich bitte das zu entschuldigen. Ich bin bemüht, so exakt wie möglich zu bleiben.
Für diejenigen, die den Roman noch nicht gelesen haben sollte hier erst mal Schluss sein, denn manche Details sollte man erst im Roman selber zur Kenntnis nehmen und auf sich wirken lassen – ich möchte niemanden zu sehr beeinflussen, zumal ja offensichtlich Viele den Roman durchaus genießen können.
Also, zur Suche nach Logik in 2325:
Da ist ein Massenmörder im Park. Wie will man ihn fangen? Indem man in der benachbarten Großküche einen Geheimagenten als Koch beschäftigt. Der geht jeden Mittag in der Mittagspause auf dem immer gleichen Weg durch den Park, damit der Mörder sich nicht durch die Wahl alternativer Wege bedroht fühlt. Diese Tarnidentität ist deshalb so sinnig, weil er ständig unter der Aufsicht seines nicht eingeweihten Mitkoches steht, dessen Begleitung bei den Spaziergängen er nicht gut ablehnen kann, von dem er auch bei der Einhaltung der Pausenzeiten kontrolliert wird. Sehr logisch und effektiv. Außerdem hat der Geheimkoch noch eine Giftgasgranate dabei, mit der er drei böse Buben tötet, die ihn möglicherweise überfallen wollen. Wer die sind, warum die so etwas machen sollten - bleibt alles im Dunkeln der Geheimagenterei - aber woher sollten sie ihn kennen?
Zurück zum Massenmörder. Warum der mordet bleibt unklar. Warum er sogar einen Koch erdolcht und den anderen laufen lässt, weiß man nicht. Unser Geheimagent geht nun energischer auf die Jagd. Wie? Weiter allein. Er ist dem Mörder nicht gewachsen. Was tut er? Holt er Verstärkung? Nicht doch, bis zum Schluss bleibt der Geheimdienst praktisch ein Ein-Mann-Betrieb.
Jetzt wissen wir am Ende des Romans, dass es sich bei dem Massenmörder um den Koda Ariel gehandelt hat. Hat der wenigstens logisch gehandelt? Seine Aufgabe ist es doch, planeteninterne Informationen zu sammeln und an die Kolonne zu übermitteln oder aber möglichst unauffällig auf eine Einsatznotwendigkeit zu warten. Jetzt tarnt er sich als Jülziish. Gut. Das ist aber auch das einzig logische. Ansonsten lebt er nämlich unterirdisch im Park, trägt knatschgrüne Klamotten, läuft barfuß auf den Zehenspitzen und bringt rund um seinen Unterschlupf wahllos Blues um. Wie er so seiner Aufgabe gerecht werden soll, erschließt sich mir nicht.
Hauptfigur des Romans ist Veyt. Ist an seinem Verhalten irgendetwas von Logik bestimmt? Erstmal taktiert er rum und ist die Hinterlist in Person. Das mag ja bluestypisch sein. Aber wenn das so ist, dann ist der Besuch des feindlich-befreundeten Oberkommandierenden auf seinem Schiff ein grober Fehler. So naiv dürfte der nicht sein. Überhaupt ist die kriegerische Bluesmentalität in sich nicht logisch dargestellt. Die Blues wissen von der Bedrohung durch die Kolonne, ignorieren das Thema aber, um ihre Kriege führen zu können. So weit so gut. Dann taucht die Kolonne auf und sie müssen sich dem Problem stellen. Veyt konstatiert, dass alle Bluesvölker jetzt mit diesem Thema beschäftigt sind und deshalb keine Gefahr mehr von ihnen droht. (Er weiß das aufgrund einer Funkbotschaft, von der unklar ist, wer sie verbreitet und die alle Fortstandorte enthält. Wer sendet wohl so was? Ein Student, der von seinem Dachfenster aus den besten Überblick hat?) Wenn er die Mentalität seiner Artgenossen kennen würde, dürfte er solch einen Gedanken gar nicht haben, denn natürlich bekämpfen die sich trotzdem weiter. Veyt möchte befördert werden, hat militärische Erfolge aber die Regierung reagiert darauf gar nicht. Warum nicht? Weil sie ihm stattdessen einen Vortrag über Hyperkristalle halten müssen. Die Regierung samt Regierungssitz wird ausgelöscht (das hat sie nun davon). Was macht Veyt? Ihm fällt ein, dass er da noch ein paar Freunde hat, die man doch prima als neue Regierung gebrauchen könnte (soll das ernsthaft die bluessche Vorstellung von Regierung sein?). Also vereidigen die sich erst mal selber, kündigen dabei an, wohin sie ihren Regierungssitz verlegen wollen und Veyt wundert sich später, dass die Kolonne da drauf gekommen ist bei so viel Geheimhaltung. Dann ist er gerührt, dass die ihn nun befördern ( reichlich albern). Anschließend reisen die Regierungsmitglieder mit ihren Familien auf dem Flottenflaggschiff von dannen, ohne zu ahnen, dass sie auf dem Weg ins Exil sind. Was glauben die denn? Dass das ein Familienausflug auf einem Rheindampfer anlässlich ihrer Beförderung ist? Und wieso jammert Veyt beim Angriff der Kolonne ‚lasst die Alten leben, die haben euch nichts getan’ ? Wer hat ihnen denn was getan? Die Regierung? Die haben nur eine Lenkzentrale bezogen, was wahrscheinlich sogar ihre Pflicht war. Zumindest ist seine Bemerkung ein Schuldeingeständnis, was einem Strategen gar nicht passieren dürfte.
Handelt wenigstens der Kolonnenkalbaron logisch und nachvollziehbar? Mitnichten. Seine Traitanks gehen bei Auseinandersetzungen dazwischen und vernichten so viele Diskusschiffe, bis den Blues die Verluste zu hoch werden und sie aufhören. Da hätte man sie auch gleich weitermachen lassen können, bis ihnen die Verluste zu hoch ... und so weiter. Und dann gibt es Diskusraumer, die ihren Schutzschirm einschalten, um heil durch Trümmergebiete fliegen zu können. Was macht der ressourcenschonende Kalbaron? Lässt sie abschießen, weil die ach so gefährlichen Schutzschirme eine Provokation darstellen. Sollen sie doch demnächst gleich von den Kollisionen vernichtet werden. Und dann verliert er die Geduld mit den unbotmäßigen Regierungsmitgliedern und lässt sie von den Motivatoren auf Kurs bringen. Dass man die umgedrehten Gefangenen in ihrer Heimat gleich umbringen wird, damit kann er nicht rechnen? War es wirklich das erste Mal, dass die Kolonne so etwas versucht hat? Ziemlich unglaubwürdig.
Ja, wer handelt in diesem Roman denn nun logisch?
Den Schlusspunkt unerklärlicher Verhaltensweisen darf dann der Koda Ariel setzen, der erst am Raumhafen am Pfeiler lehnt (und da natürlich von Veyt entdeckt wird) um dann kurz darauf als erschossenes Tier im Park zu liegen. Tja, was soll er auch sonst so mit seiner Zeit anfangen?
Ich will mal hier erst aufhören. Wer den Roman kritisch und mit wachem Verstand liest, findet bestimmt noch jede Menge widersprüchlicher und unlogischer Vorfälle, wie zum Beispiel den unentdeckten Obelisken in einem ‚stark frequentierten Gebiet’ der Hauptstadt oder das ausgesprochen armselige und unprofessionelle Verhalten diverser Agenten.
Ich hoffe aber, ich habe wenigstens ein bisschen deutlich machen können, weshalb die unlogischen Abläufe dieses Romans mir die Lust am Lesen genommen haben.