Im Visier 2216

Zugrunde liegender Roman: Arndt Elmer - Tau Carama

Plot | Teil 2 | Rezension

Vorbemerkungen und Plot

Vorbemerkung:

Natürlich freut sich der fast-berufsmäßige Nörgler über Zustimmung und lobende Worte, aber ein paar (sehr nette) Replies auf die Visier-Besprechungen veranlassen mich doch zu einigen Worten in eigener Sache.

Von einer kleinen Urlaubslücke abgesehen, habe ich zuletzt doch regelmäßig die Zeit gefunden bzw. sie mir "genommen", den aktuellen Roman ein paar Mal genüsslich in heißem Fett zu wenden und mehr oder weniger treffende Zaubersprüche aufzusagen.

Dabei geht es um _meine_ Meinung, zu der ich stehe, die aber natürlich nie ohne einen gewissen unseriösen Unterton auftritt. (Sprich: es ist schwer, einer aufgelegten Pointe, einem Elfmeter oder einem Kalauer zu widerstehen.)

Bei der "allgemeinen Betrachtung" des Romans versuche ich halbwegs "fair" und ausgewogen zu sein und auch den eher "langweiligen" positiven Momenten eines Romans entsprechenden Platz einzuräumen.

Die Plotzusammenfassungen sind (zuletzt) dann doch ganz anders zu betrachten. Anfangs waren sie gar nicht vorhanden, danach als Einstimmung und zur Einordnung meiner Meinungen recht kurz gehalten. Seit ein paar Wochen lasse ich - aus Spaß an der Freud - die Feder (Tastatur) schon mal von der Leine. Ein gewisser Frust über die allgemeine Stimmung und Hintergrund des Zyklus mag da durchaus eine Rolle spielen, weit mehr als Unzufriedenheit, Frust oder auch Zufriedenheit mit dem jeweiligen Roman selbst. Frustbewältigung, Katharsis, was weiß ich, bin schließlich kein Psychologe...

Was diese komprimierten "Plots" ganz sicher nicht sind: ein Ersatz oder eine auch nur halbwegs objektive Zusammenfassung des Heftes. Absolut subjektiv picke ich die meiner Meinung nach interessanten, wichtigen oder auch haarsträubenden "Highlights" hervor. Es ist meine Interpretation dessen, was mir inhaltlich am Heft aufgefallen ist. _Keine_ Inhaltsangabe oder Nacherzählung.

Und damit kommen wir zum

Plot:

Für die folgenden Gesangseinlagen hätten ursprünglich Michael Crawford (Perry), Sarah Brightman (Zephyda), Placido Domingo (Atlan) und Lee Marvin (Rorkhete) verpflichtet werden sollen. Unpässlichkeit wegen Tod, Desinteresse oder überzogener Gagenforderungen haben dann letztlich zum Kompromiss Costa "Ich bin zu haben, wer will mich engagieren" Cordalis (Atlan), Daniel Küblböck (Perry), Jürgen Drews (Rorkhete) und Jeanette "Ich habe das deutsche Gesangsmonopol" Biedermann (Zephyda) geführt.

Ein fröhlich und zufrieden Volk lebt seit motanagedenken im kleinen aber feinen Südseeparadies mit regelmäßiger Zwangsspülung und Unratbeseitigung. Nachwuchsmeteorologin Intake wird auserwählt, auf Luftdruckänderungen mit panischen Warnungen zu reagieren. Im Hintergrund singt der Inselchor: "Hai ho, hai ho, was sind wir Natives froh..."

Unser Blick schweift über das weite Meer. Viele Jahre und Jahrzehnte lang. Von der Redaktion aus Mangel an Action aus dem Manuskript gestrichen überspringen wir dieses idyllische Stillleben.

Zoom auf das endlose Meer. Ein Orkan zieht über die wasserbedeckten Lande. PR und Atlan singen im Duett: "Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die ist schön..., denn da kann man fremde Länder seeehn…" Dem Sofortumschalter Rhodan fällt auf, dass sie für so eine nette Seefahrt leider das Schiff vergessen haben. Mit leicht griechischem Akzent setzt Atlan an: "Ein Schiff wird kommen und das bringt mir die eine..."

Meterhohe Sturmwellen treiben die beiden auseinander. Aus Sorge um seine große Liebe seines Lebens, Zephyda, kann Atlan kaum noch einen klaren Gedanken fassen. Poseidon selbst scheint ein Opfer genommen zu haben.

"My Zephy Is Under The Ocean", schmettert Atlan durch den Orkangesang, "Bring Back, Bring Back, Oh Bring Back My Zephy To Me..."

Irgendwie erreicht er ihren nahezu leblosen Körper doch noch und rettet sich auf einen in den Sturmwellen treibenden Baumstamm.

Drei Wellen weiter krächzt der unmusikalische Rhodan ein heiseres: "Alle meine Rorkhes schwimmen übern See, Köpfchen unter Wasser, Schwänzchen in der Höh..." Er denkt sich noch "Wenn mich dieses Reisebüro nicht vermittelt hätte", und ist alleine im weiten Meer. Ein Eiland taucht am Horizont auf und er schwimmt darauf zu. "Schwimm, Rhodan, Schwimm, wie du noch nie geschwommen bist!" singt er sich Mut zu.

Natürlich erreichen uns' Helden das rettende Eiland, im tropischen Regen kriechen sie an verschiedenen Stellen an den Postkartenstrand.

"Heißer Sand und ein verlorenes Land und ein Leben in Gefahr", heult Atlan mit der verletzten Zephyda in den Armen.

"I Was Born Under A Wandrin' Star", verflucht der aufgeweichte Rhodan sein ewig gleiches Schicksal irgendwo fernab von zu Hause zu stranden. "I Can't Stand the Rain", singt er sich in den Schlaf.

"Ein Bett im Kornfeld, das ist immer frei", nimmt's der ebenfalls ans Land kommende Rorkhete gelassen, "und die Sterne leuchten mir sowieso."

Die Gestrandeten werden von den netten Insel-Motana gastfreundlich empfangen, die verletzte Zephyda fachkundig behandelt und operiert. Und dazwischen singen die fröhlichen Leute ihr Lieblingslied: "Unser Name ist Hase, wir wissen von nichts." Atlan aber hat nur Augen und Ohren für seine Allerliebste: "You Are My Sunshine. My Only Sunshine."

Zwischendurch erfinden unsere Helden den wasserdichten Schutzbunker vor der regelmäßigen Orkanspülung des Eilands, von den Eingeborenen liebevoll Tau Carama genannt. Die alt gewordene Wetterstation und Tau-Carama-Seherin Intake billigt dankbar den Bau eines Schiffes für die Fremden.

Auch den Absturz eines Raumschiffes in den Ozean und die dadurch verursachte Mega-Spülung überstehen die Motana, zumindest die meisten von ihnen. Sichtlich empört singen sie: "Spaceships For Nothing und Tides For Free." Aber schließlich gilt auch: "This Land Is My Land, This Land Was Made For You And Me."

Zephyda, die von Intake bereits als potenzielle Nachfolgerin angesehen wird, kann sich dem zweiteren aber doch nicht anschließen und bricht mit Atlan, PR und Rorkhete auf dem fertig gestellten Schiff der Hoffnungen, von manchen auch Narrenschiff genannt, auf, neue Strände und Wälder zu entdecken, die noch kein PR-Autor zuvor je beschrieben hat.

Intake bleibt mit ihren Alpträumen zurück. "Don't Leave Me This Way", sinniert sie schuldbeladen vor sich hin, hat sie der scheidenden Zephyda doch seltsame Prophezeiungen über deren Tod in den Kopf gesetzt. "Bye Bye Life Bye Bye Happiness, Hello Loneliness; I think You're gonna die".

Fern vom Meer her, immer leiser werdend, hört man nur noch Atlans "I am Sailing... Home Again..."

Und wenn sie nicht gekentert sind, dann singen sie noch nächste Woche!

 

Plot | Teil 2 | Rezension

Tei 2

 

Plot | Teil 2 | Rezension

Rezension

Positives:

Südseeromantik, edle Wilde, stolze Helden, tobende Naturgewalten, was will man mehr? Um dem allgemeinen Trend einmal zu widersprechen, sage ich, dass das sehr angenehme 50 Seiten Lesefutter waren. Flüssig, sauber geschrieben und stimmungsvoll. Aus einer jungen Seherin wird beim nächsten Auftritt eine alte Führerin - ein gelungener und unerwarteter Moment. Keine aufgesetzten Bösewichter und Psychopathen, und vor allem keine peinliche Momente mit Raumschiffen, die mit Lichtgeschwindigkeit zum Bäcker um die Ecke fliegen. Seit langer Zeit habe ich keinen ArEl Roman gelesen, der so spielerisch und leichtgängig wirkte.

Also was will man (ich) mehr?

Neutrales:

Hightech Abenteuer, höre ich jetzt allenthalben die Aufschreie. Action und kosmische Zusammenhänge, Invasionen, Raumschiffe, Schlachten, Mysterien, die geballte Macht des Expokraten gegen das Regime aller Igeltyrannen.

Das ist alles richtig und nachvollziehbar, die Sternenozean- Hefte sind gar betulich und schlicht, Wald- und Wiesenepisoden mit mehr steigendem Romantikgehalt statt Kosmos-Flair.

Eines kann ich dem Roman tatsächlich nicht zubilligen: Viel _Spannung_, die gab es nicht. Vor vielen Wochen habe ich Claudia Kerns Gastroman vorgeworfen, zwar schön geschrieben aber langweilig zu sein. Das trifft im weitesten Sinne auf alle Atlan/PR "Zurück zu Natur und Bergwerk"-Romane zu. Dennoch halte ich Frank Borsch' "Der letzte Gesang" für den bisher lesbarsten Roman des Zyklus, und auch diese mehr nette als bewegende Episode sehe ich als sehr gelungen an. Auch wenn sie und der damit verbundene Hintergrund augenscheinlich am Geschmack vieler Leser vorbeigeht. Und der Ausflug in die Reviere Jack Londons, Daniel Coopers oder Daniel Dafoes vielleicht ein wenig zu ausgewalzt ist. Zusammen mit dem Degrader in der MS, dem Auspacken der Pflugscharen auf Terra, ist das einfach zuviel Abkehr von der "Manchmal-Science-Meist-Fiction"-Serie, für die PR bei vielen von uns steht.

Was bleibt ist da ein guter, gelungener Roman unter einem schlechten Stern.

Negatives:

Vier Protagonisten alleine im Orkan im weiten Meer, meterhohe Wellen treiben sie dahin. Und doch ist ihre Überlebensrate 100 Prozent. Ich hatte dieses Jahr das zweifelhafte Vergnügen, eine zeitlang in gerade einen Meter hohen Wellen schnorcheln zu "dürfen". Mit entsprechender Ausrüstung. Vermutlich geben die ZA-Chips zusätzlichen Auftrieb...

Aufkommender Sturm mit starkem Seegang wäre glaubwürdiger gewesen, und ein rasches Erreichen der voraus liegenden Insel bevor der Sturm tatsächlich Orkanstärke erreicht.

Ob das Eiland der Motana wirklich eine Toteninsel ist, wie zuletzt in der NG behauptet, kann und mag ich so nicht beantworten. Es stimmt aber, dass ArEl sich großzügig (?) so manche Frage bzw. deren Antwort erspart. In der Tat scheinen die netten Insulaner vor allem von Luft und Wasser zu leben. Wir wissen auch nicht, seit wie vielen Generationen die Motana isoliert sind. Allzu viele sollten es nicht sein. (Es gibt sehr, sehr kleine bewohnte Inseln, z.b. auf dem Malediven, die ich sehr empfehlen kann), auf denen seit Jahrhunderten Siedlungen existieren, so isoliert wie die Motana im Roman sind sie allerdings bei weitem nicht.)

Ein paar Worte über Ressourcenverwaltung und Trinkwasser hätte ArEl allerdings schon einstreuen können.

Die Figur des Rorkhete droht leider völlig uninteressant zu werden. Er taucht auf, schweigt sich dahin, ist irgendwie unkaputtbar. Atlan und PR scheinen Angst davor zu haben, ihn einmal richtig "auszufragen", obwohl sie lange, lange Zeit dafür gehabt hätten. Wenn er (Rorkhete) nicht bald Profil gewinnt, wird er bis zuletzt nicht mehr als ein Einrichtungsgegenstand mit nicht genau festgelegten Funktionen sein. Da hilft dann ein Roman, der seinen Namen trägt, auch nicht mehr.

(Zudem muss ich bei seiner Erwähnung andauernd an das hammer- klopfende THX-Männchen aus der Kinowerbung denken...)

Die Dominanz von magischen Sehern, teleportierenden Seekühen und wundersamen Prophezeiungen sollte dringenst und schnell eingedämmt werden. Oder es wäre höchste Zeit, das Logo auf dem TiBi zu ändern und aus der "Science-Fiction" Serie eine Fantasy-Serie zu machen.

Von den gut 10 Stammautoren versucht eigentlich nur noch Castor den Anschein von "Science" aufrecht zu erhalten. Bei allen anderen habe ich mittlerweile das Gefühl, dass ihr Handlungsaufbau und ihre Figurenführung gerade noch im Zwittergenre Science Fantasy angesiedelt ist. Ernst Vlcek, der sich wie er selbst zugibt im Horror/Fantasy Feld wohl fühlt, der "Neue" Frank Borsch, oder die Gerne-Gesehen Gastautorin Claudia Kern belasten die SF/F Waagschale m.E. recht eindeutig in eine bestimmte Richtung. Feldhoff und Anton sind ebenfalls keine ausgesprochenen Technokraten. (Was absolut kein Tadel sein soll!). Gastautor Kneifel kümmert sich mehr und Wein, Weib und Gesang, Hänsel kann wie Anton gute und schöne _Geschichten_ schreiben. HoHo hat sich mehr auf Experimente mit Humoreinlagen eingelassen, HGF auf menschliche Abgründe. Was keine Kritik an den Genannten sein soll, nur der Wunsch nach mehr Ausgewogenheit, einer sichtbar werdenden Tendenz zu mehr SF. So wie es der Cantaro-Zyklus nach Netzgängern, Fossilien und Tarkan war. Der meinem Wissen nach doch als recht erfolgreich eingestuft wird.

Der Hyperimpedanz-Degrader schlägt allem Anschein nach die gegenteilige Richtung an. Mit der Overkill-Hightech wird, so beginne ich zu befürchten, auch Science und Technik allgemein entsorgt.

Ob die Super-Teleportierer "ozeanische Orakel" demnächst als Triebwerksersatz in die MS-Schiffe eingebaut werden?

Fazit:

Daumen hoch für den (für sich stehenden) Roman und ArEl. Sprachlich und stimmungsmäßig seine ausgeglichenste (PR)-Arbeit seit langem.

Dafür zunehmende Skepsis und Misstrauen gegenüber dem Grossen Gesamten. Ich habe PR kaum je der einzelnen Hefte wegen gelesen, im Vordergrund stand immer das Größere Ganze. Und da meine ich, dass mir mehr und mehr kalorienarmes PR-light serviert wird. Weit weniger peinlich als viele Zumutungen in Tradom, aber es will kein "Thrill" aufgekommen, kein authentisches Interesse an den Hintergründen der Wald- und Wiesenschurken in Tradom, oder am großen kosmokratischen Degrader.

Rudolf

 

Metadaten

Dieses Visier wurde verfasst von Rudolf Thiess

Die aktuelle Version wurde am 01. Oktober 2006 in die Datenbank eingepflegt

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