Im Visier 2229

Zugrunde liegender Roman: Frank Borsch - Zuflucht der Motana

Plot | Teil 2 | Rezension

Vorbemerkungen und Plot

Disclaimer:

Wie ueblich ist das folgende der zwar nicht unerschoepflichen aber weiterhin kranken Phantasie eines einzelnen Noerglers entsprungen, der nur vorgibt, Einblick in Innenleben und Motivation und Vorstellungswelt ehrlicher, im Schweisse ihres Angesichts schuftender Autoren zu haben.

Und eines sei vorweggenommen: Fuer die "Zuflucht der Motana" braucht sich keiner der beteiligten Macher eine Zuflucht suchen, und zumindest dem Autoren gebuehrt (fast) uneingeschraenktes Lob und verdienter Applaus.

Andererseits natuerlich ist dem wahren Noergler nichts heilig und sakrosankt genug, dass er nicht schon mal den Kakao anrichtet, um sein Opfer darin zu wenden...

Ein Roman in einer Zeile nacherzaehlt:

"Hurra, wir haben im Wald schon wieder einen Haufen Motana beim Barbecue gefunden."

Plot:

Sie erreichen die Welt der Freien - und halten Gericht ueber den Todesbringer

Jaja, das Perryversum, wie es manche Altleser noch kennen, liegt in Truemmern, Bully hat Arkon den Krieg erklaert, auch wenn die Post denselbigen noch nicht zugestellt hat, die Inkarnation Ron Hubbards sucht in Terrania nach einem Nachfahren von Tom Cruise, und Guckys Karotten in seinem Garten am Goshun See verdorren ebenfalls.

Der richtige Zeitpunkt also, um ein wenig inne zu halten, und Gericht ueber den Mann zu halten, der vor ein paar Tagen mal kurz seine Kollegen, den Eximperator von Arkon, den Moeglicherweise-Ex-Residenten von Terra und den Dirk-Schulz-Beitrag zum Alienzoo der Serie rettete.

Dass das nach der Selbstanzeige einberufene Schoeffengericht den einzigen und vorlaeufig unersetzbaren Scharfschuetzen des einzigen verfuegbaren Bionischen Kreuzers nicht am naechsten sturmumtosten Baum aufknuepfte, lag sicher nicht nur daran, dass alle brauchbaren Baeume gerade nach Terrania gebracht werden, um den diesbezueglichen Bedarf im naechsten HGF-Roman zu decken.

(Dass sich die symbolische Busse dann nicht im zehnmaligen Absingen eines "Vater-Unsers" beschraenkte, lag vor allem in der offenkundigen Textunkenntnis besagten Bussliedes, die auch durch den Gelegenheits- terraner Rhodan und den Gelegenheitseidetiker Atlan nicht beseitigt werden konnte. Ob die alternativ ausgesprochene "Strafe", das zehnmalige Lesen aller bisherigen Atlan-Rhodan Abenteuer im Jamondi, den armen Selboo tatsaechlich als Verguenstigung erscheint, ist zumindest fraglich. Und wurde wohlweisslich vom Redakteur aus dem Roman gestrichen.)

Da ausser der Entdeckung eines weiteren idyllischen Motana- Dorfes in den unendlichen Waeldern Jamondis wenig ueber den kunstvollen Plot des Heftes zu berichten ist, schweifen wir einmal ab und beschaeftigen uns mit der Frage, woher eigentlich die Ideen fuer einen PR-Roman kommen.

Wie kommt der Expokrat, der Redakteur oder der Autor darauf, einen armen, unschuldigen Motana eben mal vor Gericht zu stellen? Nicht alle Ideen kommen aus Schenectady, manche haben auch andere, wesentlich tiefgruendigere Wurzeln...

Als da vielleicht waeren:

 

Plot | Teil 2 | Rezension

Tei 2

Die "Geschichte" des Expokraten:

Sie erreichen die Welt der Autoren - und halten Gericht ueber den Exposebringer

Die Hauptpersonen des Romans

K'neF: Der Redakteur geht auf Distanz VePeMyda: Die Verlagsleitung sucht Leser Rofel: Der Exposebringer ist "schlechtes Erzaehlen". NGemeinde: Die vernetzte Leserschaft sorgt sich um den Erhalt der spannenden Unterhaltung. Rodluf: Ein Noergler von sorglosem Naturell.

Aufgewachsen ist er in einer kalten, duesteren und von staendigen Geldmangel gepraegten Welt der Unterdrueckung. Hochgeruestete Verlagsrepraesentanten mit zu Aktenkoffern und Fuellfedern mutierten Armprothesen und Nadelstreifpanzern haben ihn und seinesgleichen zu einem Frondienst in lichtlosen Schreibzimmern gezwungen. Unter Tag und fern der Sonne schuftete er in den Tinten- und spaeter Farbbandfabriken der pabelschen Konzerne, baute unter staendiger Bedrohung von Schreibblockaden und Rationskuerzungen der Honorare die nur von wenigen besonders begabten erkennbaren Hirnschmalzopale in den Minen unter Rastatt ab.

Viel Glueck und ein unerhoerter Eingriff des Schicksals fuehrten dazu, dass er die trostlosen Minen und die Peitsche des Oberaufsehers hinter sich liess. Teil der Besatzung des letzten Grossen Schlachtschiffes Deutscher SF zu sein, der zum Teil aufgrund der grossen, von den Kosmokraten Microsoft und Endemol verursachten Hyperleseflaute am Boden liegenden Konkurrenz weit ueberlegen, war letztendlich aber doch nicht die gluecklichmachende Erloesung.

Die boesen Blicke, das Getuschel der uebrigen schreibenden Besatzung, das staendige Ausweichen vom VePeMyda, der Chefin, wenn es um Fragen ueber die Ethik so seltsamer Praktiken wie das Ausloeschen ganzer Voelker zum Wohle des allgemeinen Ebits geht, das fluechtige Schulterklopfen des Verlags-Beistandes K'neF mit der sofortigen Frage "Wann bringst du endlich das naechste Expose?", bereiten ihm mehr als nur boese Traeume in langen schlaflosen Naechten. Und vor allem die feindselige Haltung der Subgattung L'eser, die sich staendig fuer "etwas Besseres" halten und jeden irgendwann einmal begangenen kleinen Mord oder Genozid hervorkehren, gehen aufs Gemuet. Die Stimmen, dass der Tod des lange verblichenen Tor Samahos vielleicht doch kein Expose-Unfall war, und ihm vielleicht sogar _Spass_ machte, wollen nicht verstummen. Sogar Seelenvampir haben sie ihn hinter seinem Ruecken schon genannt. Bloss weil er dafuer gesorgt hat, dass die grossen, bunten Murmeln, mit denen frueher so oft und gerne gespielt wurde, vorerst nicht mehr so richtig flutschen wollen!

Wie soll ein einzelner Exposebringer mit den vielen daraus resultierenden Schuldgefuehlen fertigwerden? Seinen Frieden finden, seine Anerkennung in der grossen Familie der Rhodanier? Die Flucht zu Konkurrenzserien ueber verrueckte kometengeschaedigte Maexchen, zwielichtige boese Erdbewohner oder unterbesetzte Rettungs- kreuzer braechte kaum Erloesung, ganz zu schweigen von den merkwuerdigen Zeitschleifenverstaendnissen, kapitalistischen Redakteuren mit Ledersitz-Fetish und abtruennigen Kollegen, die dort herrschen.

Der sehnsuechtige von einem Kyrie Eleison begleitete Blick auf das offene Fenster seines Schreibzimmers ist keine Loesung. Das Zimmer liegt ebenerdig und der Laptop, in weiser Voraussicht des Beistand-Redakteurs mit Gumminoppen ausgeruestet, hat schon bewiesen, dass er auch den Sturz aus groesseren Hoehen unbeschadet uebersteht.

Bleibt nur noch der Anruf eines Schiedsgerichtes, eines grossen Schauprozesses, in dem die "anderen", der Chor der "Tippser" und die ganze Mannschaft aus Lesern und Noerglern, ihn freisprechen oder einen Teil der so schwer gewordenen "Schuld" auf sich nehmen.

Und so kommt es, wie es kommen muss; und _alle_ Leser und Mannschaftsmitglieder versammeln sich zum grossen Tribunal, auf der "Wies'n", um die grosse, grosse Gemeinschaft der Stimmberechtigten unterzubringen..., naja, vielleicht doch nur auf dem Wiener Heldenplatz, der reicht auch..., okay, alle Leser, die passen auch noch in die Westfaelenhalle... aeh... in die Freiluftbuehne Bregenz... das Studio von Jauchs WWM... okay, alle schnell mal ins Buero vom Frick...!

Ein genaues Verhandlungsprotokoll nachzuerzaehlen duerfte uebertrieben sein und den Rahmen dieser Boulevard-Kritik sprengen, aber einige "Zitate" seien doch erlaubt: (*1)

"Die Marketing-Leute haben uns unwissend gehalten. Sie haben Luegen und Halbwahrheiten unter uns gestreut. Denkt nur an die Verfemten Themen! Generationen von Schreibern haben ihr Potenzial brachliegen lassen, aus Angst Leser abzuschrecken."

"Und genau das ist geschehen. Du warst kein Leser, du hast nicht erlebt, was seine Exposes anrichten, wenn sie ausser Kontrolle geraten."

"Aber seht euch doch um. TRADOM ist der Beleg dafuer, was wir erreichen koennen, wenn wir nur den Mut und die Chuzpe dazu haben und nicht an unseren Zeitschleifen zweifeln."

"Die Noergler wissen um unser Erzaehl-Potenzial und fuerchten es. Deswegen haben sie unter den Lesern die Legende von den Plotdriven-Plots und Klonelefanten gestreut."

"Die Marketing-Leute wollen unsere Schreiber bis in alle Ewigkeit versklavt sehen - nur wir koennen die Leserquoten fuer sie finden."

"Die Exposebringer haben existiert. Und sie taten, was ihr Name besagt, sie brachten Tod und Verderben... aeh Exposes."

"Die Wahrheit kennt jeder, der dem Exposebringer einmal in die Augen geblickt hat. In ihnen leuchten die Zeitschleifen und der Affenkonquestor."

"Aber ich lese noch viel mehr darin. Sektiererei beispielsweise. Und Hyperimpedanz. Sohnemaenner. Und Furcht. Furcht, vor dem was er anrichten kann, und dem, was er anrichten wird, wenn wir ihm nicht sagen, was gut fuer ihn und uns ist."

"Der Bringer war schon immer verrueckt nach Verrueckten. Er hat schon bei den Gaengern des Netzes Choraele singen lassen, hat pausenlos mit Siin gespielt. Es ist nicht unsere Schuld, dass er jetzt in Jamondi dasselbe tut."

"Oder bestreitet jemand, dass wir einen Expokraten brauchen?"

BRAUCHEN... BRAuchen... brauchen...

Hier erwachte der Expokrat, weil ausgeloest durch den Fluegel- schlag eines Schmetterlings im fernen China das technische Datenskript zum naechsten RC-Roman vom strukturverhaerteten Eisenregal fiel und das erstgeschriebene Manuskript des Traeumenden erschlug.

Matuerlich liess er die Inspiration nicht einfach vergehen, sondern packte sie in ein Manuskript, das in gebundener Form und mit ein paar kleinen Aenderungen durchaus als Fortsetzung der Grossen Klassiker "The Dying Inside" (*2) oder "Herovit's World" (*3) haette gelten koennen. Und dem Marketing ebensoviel ...aeh.. Freude bereitet haette.

Ob die Conclusio "Wir brauchen nicht einen Exposebringer, sondern Tausende" allerdings das von vielen erhoffte Happy- End darstellt, muss sich erst erweisen. Schliesslich waere so mancher netzansaessige Noergler schon zufrieden, wenn es zu einer Verdoppelung unter den Exposebringern kommen wuerde. Viele tausend von ihnen haben dann doch den eher zweifelhaften Beigeschmack der Inflation, der Uebertreibung, der Megalomanie, der Potenzierung von Kosmokratentum und Universenzuendern.

So scheinen dem Exposebringer dann schluessendlich doch Zweifel gekommen zu sein, den zuletzt liess er seine Helden in einer weiteren fast zu eindeutigen Allegorie zu den versammelten Leserscharen sprechen, wollte er sie fuer den grossen Aufbruch zu neuen Sternenozeanen und dem Kampf gegen neue Invasoren aus edlem Goriallablut mobilisieren.

Die Worte waren gut gewaehlt und wohlfeil. Der Noergler von sorglosem Naturell hinter seinem angerosteten Visier war schon mundtot gemacht, doch die undankbaren Versammelten blieben dennoch unschluessig und widerwillig, huldigten lieber den alten Traditionen in ihrem wohlbekannten, ruhigen Waeldchen und wollten von neumodischen Einbruechen fantastischer Gefahren in ihr Domizil wenig hoeren.

Ein Lichtschimmer blieb freilich, kuendigte die Daemmerung eines neuen Zeitalters an: das Auftauchen des patriarchalischen Neulesers, der von neuen Heerscharen weit draussen im Niemandsland berichtete, die nur darauf warteten, mehr ueber die seligmachende grosse Geschichte des Exposebringers zu hoeren.

Aber das ist eine andere Geschichte, die ein anderes mal erzaehlt werden soll. Wenn die Sonne sieben mal ihren Zenit ueberschritten hat...

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Die Geschichte des Redakteurs: Die Geschichte des Autoren:

Ach kommt Leute, das bisschen Copy/Paste im obigen Text waere doch eine gute Uebung fuer jedermann (und jederfrau), um mit dem Textverarbeitungsprogramm seiner/ihrer Wahl ein wenig Praxis zu erlangen... (*4)

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Die Geschichte des Lesers:

Tja, das ist nun doch eine ein klein wenig andere Geschichte, die irgendwann einmal das Licht der absurden Pamphlete erblicken koennte...

(*1) Nachzulesen in 2229. Ich habe mir lediglich erlaubt, Frank Borsch's sehr gelungene Verklausulierung der Exposevorgabe wieder an das anzupassen, was dort eigentlich stehen _sollte_. (*2) Robert Silverberg, "Es stirbt in mir" (*3) Barry Malzberg, "Herovits Welt" (*4) Die Wahrheit ist natuerlich, dass es dem Noergler mit sorglosem Naturell schlichtweg an dafuer verfuegbarer unverplanter Zeit fehlt. :-(

 

Plot | Teil 2 | Rezension

Rezension

Zum Roman:

Es ist gar seltsam: das ist der zweite Roman in Folge, zu dem mir gar nicht so viel Negatives einfaellt, bei dem ich mich bei den negativen Elementen einmal nicht auf das fuer mich Auffaelligste einschraenken muss, und ich den positiven Dingen mehr Raum geben muss, als sie eigentlich verdienen.

Positives:

Kurzweilig, unterhaltsam, streckenweise amuesant, ein wenig Innenleben einiger Figuren, da faellt es kaum auf...

Ein Deja vu?

Nun, das was ich schon zum Feldhoff-Roman der letzten Woche gesagt habe, trifft auch diesmal zu. Ich gehe sogar weiter und sage, dass "der Borsch" noch gelungener ist, stilistisch zumindest meinen Geschmack noch besser trifft, und dabei eine deutlich "geschlossenere" und weniger episodenhafte Geschichte ueber weiten Strecken hinweg sehr athmosphaerisch erzaehlt.

So gemaechlich und beschaulich die Sternenozean-Hefte auch dahinplaetschern, sie sind ueberwiegend besser, schoener, stilsicherer und kunstvoller erzaehlt als die auffaellig, ja aufdringlich ueberbetonten Agentengeschichten im Hayok- Archipel oder gar die teilweise peinlichen Entgleisungen um Gotteskrieger, Lynchmob und die Ausgabe von T-Shirts im Solsystem.

Vom handlungsmaessig etwas zu gezwungen wirkenden "Rorkhete" abgesehen, schafft Frank Borsch es sehr gut, das Volk bzw. die Voelker der Motana "leben" zu lassen, auf vergleichsweise wenigen Seiten durchaus stimmige Bilder der matriarchalischen Waldlaeufer zu zeichnen.

Sympathische Gutmenschen bevoelkern seine Romane, und sehr wohltuend kann er auf angeblich spannungsfoerdernde, motivationslose Psychopathen (der Woche) verzichten, und dennoch unterscheidbare und agierende Protagonisten zeichnen.

Die fast ein wenig zu selbstsichere Planetare Majestaet Kischmeide und ihre junge, angeblich sorglose Botin Venga wirken (auf mich) recht authentisch. Sie duerfen "echte" Gespraeche fuehren, man traut ihnen zu, auch ein Leben ausserhalb der Heftszenen zu haben, in denen sie eine Rolle spielen. (Bei viel zu vielen Figuren der Serie habe ich diesen sehr wichtigen Eindruck nicht!)

Besonders Venga haette sehr leicht zu einer Karikatur verkommen koennen, als komische Gestalt zur Erfuellung der notwendigen Humorquote zur ennox-aehnlichen Leserqual werden koennen. Stattdessen wurde sie (mir) schnell sympathisch, und ich hatte beim Lesen das Gefuehl, dass auch der Autor die Figur _mochte_ und sich um sie bemuehte.

Ob die Dramaturgie des Gerichtes ueber den Todesbringer gelungen war bzw. ueberhaupt notwendig und schluessig war, ist eher fraglich. Aber sowohl auf den wenigen Seiten, die die Verhandlung/Diskussion der Motana ueber ihren wenig geliebten Bordschuetzen schilderten, als auch spaeter bei Zephydas Plaedoyer an die versammelten Motana, den Kampf gegen den Kybb-Cranar zu unterstuetzen, hat Frank Borsch sehr gelungene und im Kontext der Serie recht geschliffene Dialoge und Argumentationsketten zu Papier gebracht.

(Wobei mir das eigentlich zentrale Thema des Romans, naemlich die Verhandlung ueber den Todesbringer, dann doch zu _schnell_ abgehandelt wurde.)

Insgesamt kommt es mir so vor, als wuerde Frank Borsch recht gut mit Dialogpassagen umgehen koennen. Meinem Sprachempfinden nach sprechen seine Protagonisten zumeist "lebensechter" und authentischer als in so manch anderem Roman.

Da eruebrigt es sich fast zu "gestehen", dass Frank Borsch zusammen mit Leo Lukas fuer mich zur Zeit die lesbarsten PR-Hefte schreibt.

(Wobei ich mir erlaube zu sagen, dass beide im bisherigen SO-Zyklus ein Handicap zu tragen hatten: Die Vorlagen bzw. der jeweilige Handlungsrahmen. Lukas "Maulwurfsroman" litt sehr an einer reichlich herbeigewedelten, mehr verrueckt als aufregenden Befreiungsaktion; sein Sternenagent an einem Expose, das mehr oder weniger _gar keine_ Handlung bot und nicht einmal erlaubte, die Geschichte Sonderbons selbst zu Ende zu fuehren. Und Frank Borsch darf/muss, seien wir ehrlich, den selben Roman mehrmals schreiben: PR und Atlan treffen im Wald nette Motana-Waldmenschen.)

Neutrales:

In der Rasanz der Handlungsfuehrung erinnert die Odyssee von Atlan und Perry ja an Alaskas und Monkeys Wanderungen durch das Erste Thoregon.

Beide Spaziergaenge, manchmal im wahrsten Sinn des Wortes, haetten sich vom Inhalt her in wenigen Heften zusammenfassen lassen. Beiden Handlungsstraengen zeichnen sich durch eine nicht uebersehbare Monotonie aus.

Dort hatten die beiden "Sucher" eine spartanische Container- reise durch ein unerwartet wenig exotisches Erstes Thoregon besucht, hier haben Atlan und Perry einen Survival-Trip durch die Hinterwelten Jamondis vor sich, ein wenig aufgewertet durch eine mitreisende Kapelle.

Die Thoregon-Wanderer brauchten erst die Befreiung der SOL bis ein wenig Schwung in die ein wenig planlos wirkende Sucherei kam. Wann und Wo der "Knackpunkt" in Jamondi auftauchen wird, wissen wir noch nicht. Der Bionische Kreuzer war es jedenfalls nicht.

Allerdings litten die Monkey/Alaska Hefte auch an einer Lustlosigkeit innerhalb der Hefte, an einer stereotypen Handhabung bzw. Nichthandhabung der beiden Charaktere.

Selbst eingebettet in einen spannenderen Rahmen waeren die meisten Thoregon-Hefte dieser Phase nicht ueberzeugend gewesen, haetten wie belanglose Dutzendware gewirkt, wie unterdurchschnittliche Romane der jeweiligen Autoren.

Diesmal aber behaupte ich, haben Borsch und Ellmer durchaus ueberdurchschnittliche Romane abgeliefert. Schade ist nur, dass das nicht ausreicht, grosse Lust auf den jeweils naechsten Roman zu machen.

So schoen geschrieben die "Zuflucht der Motana" auch ist, besonders neugierig war ich nicht, die naechste nette Gruppe Waldbewohner kennenzulernen. Nach mittlerweile 30 Heften waere es hoechst an der Zeit, wenn sich der Scope (ups... Anglizismus... der Rahmen, die Perspektive, der Ausblick, der Blickwinkel, das Umfeld...) endlich erweitert.

Monatelang (Lesemonate!) durfte z.b. Keraete im Eis schmoren. Jetzt wurde er endlich ausgegraben. Aber es scheint, dass er jetzt weiterhin etliche Monate im Koma weiterschweigen wird. Damit hat und hatte er keine Rolle im Geschehen, genausogut haette er seinerzeit Atlan und PR alleine in den Sternenozean schicken koennen. ("Ich selber kann die Barriere nicht durchdringen. Es wuerde mich umbringen!") So ist er nur ein auffaelliges Detail, wie sehr die Handlung zum Stillstand gekommen ist. Statt diesen Stillstand, der bei einer 100-Hefte Zyklus- planung schon mal unumgaenglich sein mag, moeglichst gut zu verschleiern, erfuellt der "leere" Handlungsstrang um Lotho das ziemliche Gegenteil.

Statt des Passiv-Charakters Keraete haetten die beiden Unsterblichen einen weiteren staendigen Begleiter aufsammeln koennen, der den einen oder anderen Brocken Wissen mit sich gebracht haette. Vielleicht sogar einen ausgesetzten oder verbannten oder gefangenen Kybb-Cranar? Dass das Konfliktpotenzial um den Todesbringer Selboo zumindest vorlaeufig eine Sackgasse ist, ueberrascht wohl kaum einen Leser. Der Konflikt um einen Kybb-Cranar-Begleiter, gerade beim Umgang mit den generationenlang unterdrueckten Motana, waere sicher potenziell interessant und aufregend gewesen.

Negatives:

Tja, was war wirklich schlecht an diesem Roman? Viel einfallen will mir da nicht.

Ist es glaubwuerdig, dass in einer Welt staendiger, gewaltiger Stuerme sich derart gewaltige Dschungelwaelder bilden? Ich wuerde mir eher flache Vegetationsinseln vorstellen, die sich in windgeschuetzten Arealen breitmachen.

Ueber seltsame "Zufaelle", wie die Landung der SCHWERT als die Motana sich gerade ganz ungewoehnlich ausserhalb des schuetzenden Waldes versammeln, haben wir bereits gesprochen. Notwendig war das nicht.

Und sehr auffaellig ist natuerlich, dass es sich bei diesem Roman praktisch um eine "Remake" des gerade mal ein viertel Jahr alten Borsch-Doppelbandes um die Motana auf Baikhal Cain handelt. Zwei gutmeinende Planetare Majestaeten, dort die "sorglose" Schwester von Zephyda, hier die sorglose Botin Venga, die beide den Leser durch sehr aehnliche Motana-Gesellschaften fuehren. Die Skepsis, den "Fremden" in ihrem Kampf zu unterstuetzen; das Auftauchen Rorkhetes bzw. des maennlichen "Botschafters.

Ansichtssache ist es wohl, ob man das als "im Kreis gegangen" interpretiert, oder als "einen Bogen geschlossen". Zephyda steht jetzt auf der "anderen" Seite.

Das mag ein beabsichtiges Stilmittel sein, so recht ueberzeugt hat es _mich_ aber nicht.

Abschliessend macht die Vorschau klar, dass auch naechste Woche "nur" eine weitere Motana-Splittergruppe zum Kennenlernen ansteht. Ein weiteres "Dorf" singender Hinterweltler besucht werden wird. Dabei waere es so schoen, endlich einmal eine "Stadt" zu betreten.

Fazit:

Ein schoener, braver, netter, guter, gelungener, ansprechender Roman um ebensolche Protagonisten.

Aber es wird sehr an der Zeit, sich endlich die Haende schmutzig zu machen, den Mief abzuwaschen, die Fahrschule hinter sich zu lassen, die naechsten 24 Motana-Voelker zu ueberspringen, den Dynamo anzuwerfen, den Trash-Faktor, der auf Terra zu stark vertreten ist, auszupacken, und schon mal das Feuerwerk anzukuendigen.

 

Metadaten

Dieses Visier wurde verfasst von Rudolf Thiess

Die aktuelle Version wurde am 29. July 2006 in die Datenbank eingepflegt

Dieses Visier wurde 5742 mal aufgerufen.

 

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